01 - Nacht der Verzückung
ihres Traumes anlangen würde.
Obwohl
sie ihn immer noch liebte und es auch immer tun würde.
Obwohl
er sie liebte.
Das
Ende des unmöglichen Traumes.
Nun
gut, dachte sie, als sie die Augen öffnete und sich erhob, um sich bettfertig
zu machen, sie würde es überleben. Das war immer das Hauptziel der Menschen
gewesen, mit denen sie aufgewachsen war ... zu überleben. Vielleicht gab es
irgendwo in der Zukunft einen anderen Traum, der darauf wartete, geträumt zu
werden. Sie konnte es sich jetzt noch nicht vorstellen, aber sie konnte hoffen.
Sie
konnte von einem Traum träumen. Sie lächelte über die Absurdität - und
die Kraft spendende Hoffnung - dieses Gedankens.
***
Neville wurde nicht
betrunken. Er saß mit dem Marquis von Attingsborough in der Bibliothek und
hoffte auf einstweiliges Vergessen, als er in kurzer Folge zwei Brandys
hinunterkippte, doch er trank nicht weiter. Alkohol konnte nicht heilen, was
ihn quälte. Er würde nur seinen Verstand vor dem vernebeln, womit er sich am
nächsten Morgen auseinander setzen musste.
Lily
würde ihn in der Frühe verlassen.
»Ich
wünschte, es gäbe etwas zu sagen, Nev«, sagte der Marquis und setzte sein halb
volles Glas ab - sein erstes. »Als ich vor neun Tagen mit dir in der
Kirche stand, dachte ich, dass es kein schlimmeres Desaster geben könnte als
das, was geschah. Doch es kam noch schlimmer. Sie verlässt dich.«
»Meinst
du, es würde etwas nützen, ihr den Hals umzudrehen?«Neville lachte, aber auch
mit Galgenhumor fühlte er sich nicht besser. Im Gegenteil. Er legte den Kopf
gegen die Rückenlehne des Sessels und schloss die Augen.
»Sie
ist etwas Besonderes«, sagte Joseph. Unpassenderweise lachte er auf. »Wer außer
Lily hätte den verfluchten Nerv, dich zurückzuweisen? Zumal sie niemand anderen
hat außer dir. Und zumal sie verrückt nach dir ist.«
»Vielleicht
kann Elizabeth sie umstimmen«, sagte Neville hoffnungsvoll. »Was soll ich tun,
wenn sie es nicht schafft? Ich habe Lilys Vater versprochen, mich um sie zu
kümmern. Ich habe ihr den Eheschwur gegeben. Ich ... nun ja, all dies hat wenig
zu tun mit Versprechungen und Schwüren. Ich ... du würdest es nicht verstehen,
Joe.«
»Weil
ich ein eiskalter Klotz bin, der nie geliebt und nie davon geträumt hat, die
einzig wahre Liebe zu finden, die er nie wieder loslassen wird?«, sagte sein
Cousin wehmütig. »Deine Gefühle ihr gegenüber sind ziemlich offensichtlich,
Nev, und sie scheinen mir sehr tief zu sein. Ich habe dich beneidet. Wir alle
sind Lily ein wenig verfallen.«
Doch in
diesem Moment betrat Elizabeth den Raum und beide rappelten sich hoch. Sie
blickte vielsagend auf ihre Gläser, enthielt sich aber jeden Kommentars.
»Und?«
Nevilles Hände ballten sich zu harten Fäusten.
»Lily
wird am Morgen mit mir nach London reisen, Neville«, sagte sie. »Sie hat bei
mir eine Stellung angenommen. Als meine Gesellschafterin.«
»Was?«
Neville konnte sie nur ungläubig anstarren. Der Marquis räusperte sich und
scharrte unbeholfen mit den Füßen.
»Sie
hat sich dazu entschlossen«, sagte Elizabeth ruhig. »Es ist eine ehrbare
Stellung für sie, Neville.«
»Hast
du überhaupt versucht, sie zu überreden, hier zu bleiben und mich zu heiraten?«,
fragte er sie. Aber ihr Gesichtsausdruck war auch ohne Worte Antwort genug. All
seine aufgestauten Ängste entluden sich in Wut. »Du hast es nicht versucht,
stimmt's? Du hattest überhaupt nicht die Absicht. Du hast mich vorsätzlich in
die Irre geführt. Willst auch du sie aus dem Weg räumen, Elizabeth, damit hier
die Bühne frei ist, um wieder an das anzuknüpfen, was vorher war? Nichts kann
wieder so sein, wie es war. Lily ist meine Frau. Ich liebe sie. Kann
niemand diese Tatsache begreifen, nur weil sie keine Dame ist? Für mich ist sie
Dame genug. Ich werde jetzt zu ihr hinaufgehen und ...«
»Nein,
Neville«, sagte sie ruhig, bevor er auch nur einen entschlossenen Schritt in
Richtung Tür machen konnte. »Nein, mein Lieber. Das wäre ein Fehler. Falsch für
dich. Falsch für Lily.«
»Und du
weißt, was für uns richtig ist?« Nevilles Augen blitzten sie an. »Du,
Elizabeth? Die altjüngferliche Tante? Was weißt du schon von Liebe?«
»Halt
dich zurück, Nev, alter Junge«, sagte Joseph ruhig.
Neville
fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Oh, zum
Teufel. Vergib mir, Elizabeth. Es tut mir so Leid.«
»Ich
würde mir Sorgen machen«, sagte sie völlig unbeeindruckt, »wenn du nicht mit
deiner
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