01 - Nicht ohne meine Tochter
blauer Fleck. Der untere Teil meiner Wirbelsäule tat mir von dem Aufprall auf den Fußboden, auf den mich Moody geworfen hatte, besonders weh. Ich rollte mich eng zusammen vor Schmerzen.
Stunden schienen vergangen zu sein, als ich draußen im Hof ein bekanntes Geräusch vernahm. Es war das Quietschen einer rostigen Kette, die über eine Eisenstange kratzte: das Geräusch von Maryams Schaukel, einem Lieblingsspielzeug Mahtabs. Langsam stand ich auf und humpelte zum Balkon, um zu sehen, wer draußen spielte. Es war Maryam, Esseys Tochter, die den Sonnenschein des Aprilmorgens genoss. Sie sah, dass ich sie beobachtete, und fragte in ihrer unschuldigen, kindlichen Stimme: »Wo ist Mahtab?« Vor lauter Tränen konnte ich ihr nicht antworten.
Aus einem Grund, den nur ich allein kannte, hatte ich Mahtab in den Iran gebracht, um sie zu retten; jetzt hatte ich sie verloren. Dunkelheit umhüllte mich nun, und ich haderte mit meinem Glauben. Irgendwie musste ich Mut und Entschlossenheit aufbringen. Hatte Moody mich so verprügelt, als ich nicht mehr imstande war, Widerstand zu leisten? Ich schreckte vor der Antwort zurück. Die Frage, was Moody mit Mahtab gemacht hatte, beschäftigte mich natürlich am meisten, aber ein größeres, genauso beunruhigendes Rätsel, über das ich mir den Kopf zerbrach, war, wie er ihr das antun konnte? Und mir? Der Moody, den ich jetzt kennengelernt hatte, war einfach nicht mehr derselbe Mann, den ich geheiratet hatte. Was war nur schiefgegangen? Ich wusste es und wusste es auch wieder nicht. Ich konnte die Tatsachen erkennen. Ich konnte Anstieg und Abnahme von Moodys Wahnsinn über die vergangenen acht Jahre unserer Ehe aufzeichnen und sie mit seinen beruflichen Schwierigkeiten in Zusammenhang bringen, und ich konnte sogar bestimmte Höhen und Tiefen, die an unvorhersehbare politische Ereignisse geknüpft waren, zeitlich bestimmen. Wieso hatte ich dieses Elend nur nicht vorhergesehen und so verhindert? Im Nachhinein kamen mir überwältigende Erkenntnisse.
Acht Jahre früher, als Moody kurz vor dem Ende seiner dreijährigen Assistentenzeit am chiropraktischen Krankenhaus in Detroit stand, mussten wir eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Für uns war die Zeit gekommen, entweder ein gemeinsames Leben zu planen oder uns zu trennen. Wir trafen den Entschluss, zusammenzubleiben, machten uns auf den Weg und informierten uns an Ort und Stelle über ein Stellenangebot an der chiropraktischen Klinik in Corpus Christi, wo bereits ein Anästhesist eine Praxis eröffnet hatte, aber noch ein zweiter gesucht wurde. Ein realistischer Voranschlag verhieß ein Gehalt von einhundertfünfzigtausend Dollar im Jahr, und die Aussicht auf so viel Geld ließ uns schwindlig werden. Ein Teil in mir wollte nicht von meinen Eltern in Michigan wegziehen, aber der größte Teil war dazu bereit, ein neues glückliches Leben in Überfluss und sozialem Ansehen zu beginnen. Joe und besonders der sechs Jahre alte John waren sehr glücklich über diese Idee.
Vor der Hochzeit sagte John zu mir: »Mommy, ich weiß nicht, ob ich mit Moody leben kann.« »Warum denn nicht?«, fragte ich. »Er bringt mir so viele Süßigkeiten mit, dass davon bestimmt meine Zähne kaputtgehen.« Ich lachte, als ich bemerkte, dass John das ernst meinte. Er assoziierte Süßigkeiten und Spaß mit Moody. Zu allen vernünftigen Gründen, die für eine Heirat sprachen, war noch die unleugbare Tatsache gekommen, dass Moody und ich uns liebten. Ihn zu verlassen, ihn nach Corpus Christi zu schicken, während ich ein vergleichsweise tristes Dasein in der Arbeiterwelt mitten in Michigan fristete, wäre eine undenkbare Alternative gewesen.
So heirateten wir am 6. Juni 1979 im engsten Kreis in einer kleinen Masdsched in Houston. Nachdem ein paar Worte in Farsi und Englisch gemurmelt worden waren, wurde ich die verehrte und angebetete Königin in Moodys Leben. Moody überschüttete mich mit Blumen, persönlichen Geschenken und fortwährend mit netten Überraschungen. In der täglichen Post war oft eine selbstgemachte Karte oder ein Liebesbrief, in dem die Worte aus einer Zeitung herausgeschnitten und auf ein Blatt Papier geklebt waren. Vor unseren Freunden lobte er mich besonders gern. Einmal beschenkte er mich bei einem Essen mit einer großen Trophäe, die in Gold und leuchtendem Blau glitzerte, und die mich zur »Weltbesten Ehefrau« erklärte. Meine Spieldosensammlung wuchs. Er überhäufte mich zu jeder Gelegenheit mit Büchern,
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