01 - Nicht ohne meine Tochter
Ausgaben als Werbungskosten absetzen. Überall, wohin wir geschäftlich unterwegs waren, nahm ich einen Umschlag mit, in dem ich alle Quittungen sammelte, um den dienstlichen Charakter aller unserer Unternehmungen belegen zu können. Diese verwirrende Veränderung in meinem Leben drohte manchmal, mich zu überwältigen. Obwohl ich keinen richtigen Beruf ausübte, war ich beschäftigter denn je. Ich wurde großzügig mit Geld und Zuneigung bedacht, geliebt bis an die Grenzen der Schmeichelei, wie konnte ich da nur irgendwelche Klagen haben?
Von Anfang an gab es aber tiefverwurzelte Probleme in unserer Ehe, und von Anfang an zogen wir es beide vor, sie zu übersehen. Bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen eine Meinungsverschiedenheit an die Oberfläche kam, ließ sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf unsere kulturelle Verschiedenheiten zurückführen. Oft erschienen sie Moody als Kleinigkeiten, wenn sie ihn auch ziemlich verwirrten. Zum Beispiel schrieb er, als wir bei einer Bank in Corpus Christi ein Girokonto eröffnen wollten, nur seinen eigenen Namen auf das Antragsformular. »Was ist das denn?«, fragte ich. »Warum eröffnen wir daas Konto nicht auch auf meinen Namen?« Er war sehr überrascht: »Wir eröffnen keine Konten auf den Namen von Frauen.«, sagte er. »Iraner tun das nicht.« »Aber du bist hier kein Iraner.«, entgegnete ich. »Du willst doch Amerikaner sein.« Nach einiger Diskussion gab Moody nach. Es war ihm einfach nicht in den Sinn gekommen, dass wir unser Vermögen gemeinsam besaßen.
Eine Angewohnheit, die mich irritierte, war sein Besitzanspruch mir gegenüber, als ob ich, wie sein Girokonto, sein persönliches Kapital gewesen wäre. Wo immer wir in einem Raum voller Menschen waren, wollte er, dass ich an seiner Seite war. Er hatte immer seinen Arm um mich gelegt oder ergriff meine Hand, als ob er Angst gehabt hätte, dass ich fliehen könnte. Ich fühlte mich durch seine Aufmerksamkeit und Zuneigung geschmeichelt, aber manchmal war seine Anhänglichkeit lästig.
In der Rolle des Stiefvaters statt der von Mamas Freund bewährte sich Moody auch nicht besonders. Ganz selbstverständlich verfiel er in die iranische Art der Kindererziehung und forderte unbedingten Gehorsam von Joe und John. Das war besonders unangenehm für Joe, der im Alter von elf Jahren gerade begann, seine Unabhängigkeit zu behaupten. Vorher war Joe der Mann in der Familie gewesen.
Und dann war da noch Reza, zweifellos der Hauptgrund für unsere Spannungen in dieser Zeit. Reza hatte an der Wayne State University in Detroit studiert und dort eine Zeit lang in Moodys Apartment gewohnt. Kurz nach unserem ersten Hochzeitstag machte Reza seinen Diplomabschluss in Wirtschaftswissenschaften, und Moody lud ihn ein, bei uns in Corpus Christi zu wohnen, bis er eine Stelle gefunden hatte. Immer, wenn Moody nicht zu Hause war, übernahm er die Rolle des Herrn und Meisters, versuchte, mich und die Kinder herumzukommandieren und forderte unseren bedingungslosen Gehorsam als ein ihm zustehendes Anrecht. Kurz nach seiner Ankunft hatte ich einige Freundinnen zum Tee eingeladen. Reza saß schweigend mit uns im Zimmer und machte sich offensichtlich, wenn wir etwas sagten, was er respektlos fand, im Geiste Notizen, damit er es Moody später berichten konnte. In dem Augenblick, als meine Gäste gingen, befahl er mir, das Geschirr abzuwaschen. »Ich werde mich darum kümmern, wenn ich fertig bin.«, sagte ich bissig. Reza versuchte, mir vorzuschreiben, wann ich die Wäsche zu waschen hatte, was ich den Jungen zum Mittagessen geben sollte, und wann ich zu einer Nachbarin zum Kaffee gehen durfte. Ich ließ mir das nicht gefallen, aber sein Nörgeln hörte nicht auf. Er selbst wollte allerdings nichts zur Hausarbeit beitragen. Mehrmals beschwerte ich mich bei Moody über Rezas aufdringliche Präsenz in meinem Leben. Aber Moody war nicht da, wenn sich die schlimmsten Zwischenfälle ereigneten, und er riet mir, geduldig zu sein. »Es ist ja nur für kurze Zeit,«, sagte er, »bis er eine Stelle gefunden hat. Er ist mein Neffe. Ich muss ihm helfen.«
Moody und ich hatten uns auf dem Immobilienmarkt nach Mietwohnungen umgesehen, in die wir einen Teil unseres Geldes investieren und gleichzeitig die Steuervorteile ausnutzen konnten. Dadurch hatten wir ein gutes Verhältnis zu einem der erfolgreichsten Bankiers der Stadt bekommen. Ich überredete diesen Bankier, Reza die Möglichkeit zu geben, sich für eine Stelle zu
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