01 - Nicht ohne meine Tochter
Toilette hinunter. Erschöpft von allem, was in diesen letzten entsetzlichen Tagen geschehen war, sank ich schließlich zu Boden und lag dort, ich weiß nicht, wie lange, wie betäubt. Vielleicht nickte ich ein. Ich wurde von dem Geräusch eines Schlüssels im Schloss dieser oberen Wohnung aufgeschreckt. Bevor ich Zeit hatte, zu reagieren, trat Essey ein. Sie trug ein Tablett mit Essen.
»Bitte, iss!«, sagte sie. Ich nahm das Tablett, dankte ihr für das Essen und versuchte, ein Gespräch mit ihr anzufangen, aber Essey war ängstlich und abwehrend. Sie drehte sich sofort wieder zur Tür. »Es tut mir Leid!«, sagte sie leise, bevor sie ging und mich wieder einschloss. Das Geräusch des Schlüssels, der sich im Schloss drehte, hallte durch meinen Kopf. Ich trug das Tablett in die Küche und ließ das Essen unberührt. Es vergingen Stunden der Frustration, bis Moody kurz vor Mittag zurückkam. Allein.
»Wo ist sie?«, schrie ich. »Das brauchst du nicht zu wissen.«, antwortete er finster. »Mach dir um sie keine Sorgen. Ich werde jetzt auf sie aufpassen.« Er drängte sich an mir vorbei und stapfte ins Schlafzimmer. Ich gestattete mir einen Augenblick perversen Vergnügens, als ich die Spuren meiner Fingernägel überall auf seinem Gesicht sah. Aber dieses Gefühl verflüchtigte sich schnell wieder angesichts meiner eigenen, viel tieferen Wunden. Wo war mein Kind?
Moody kam schnell wieder in die Diele, hatte ein paar von Mahtabs Kleidern in der Hand und auch die Puppe, die wir ihr zum Geburtstag geschenkt hatten.»Sie will ihre Puppe haben«, sagte er. »Wo ist sie? Bitte, lass sie mich sehen.« Ohne ein weiteres Wort stieß Moody mich zur Seite, ging und schloss die Tür zwei Mal hinter sich ab.
Später am Nachmittag, als ich wegen meiner hämmernden Rückenschmerzen zusammengerollt auf dem Bett lag, hörte ich das Läuten der Türklingel. Jemand stand draußen auf dem Bürgersteig. Ich rannte zur Gegensprechanlage, die es mir erlaubte, mit jedem zu sprechen, der da zu Besuch gekommen war. Es war Ellen. »Ich bin hier eingeschlossen.«, sagte ich. »Warte, ich komme zum Fenster. Von da aus können wir reden.« Schnell entfernte ich die Scheibe vom Fenster und lehnte meinen Kopf gegen die Eisenstäbe.
Ellen stand auf dem Gehweg mit ihren Kindern Maryam und Ali. »Ich bin gekommen, um nach dir zu sehen.«, sagte sie. Dann fügte sie hinzu: »Ali hat Durst. Er möchte etwas trinken.« »Ich kann dir nichts zu trinken geben.«, erklärte ich Ali. »Ich bin hier eingesperrt.« Essey hörte das natürlich alles und erschien bald draußen auf dem Gehweg mit einer Tasse Wasser für Ali. »Was können wir tun?«, fragte Ellen. Auch Essey wollte gern eine Antwort auf diese Frage haben. »Geh und hol Hormoz!«, schlug ich vor. »Versucht, mit Moody zu reden.« Ellen willigte ein. Sie scheuchte ihre Kinder den überfüllten Gehsteig entlang, und die Zipfel ihres schwarzen Tschadors flatterten im Frühlingswind.
Noch später an jenem Nachmittag sprach Reza mit mir. Er stand im Hof, während ich auf dem Balkon war. Ich wusste jetzt, dass Essey einen Schlüssel hatte, aber Reza weigerte sich, in die obere Wohnung zu kommen. »Reza!«, sagte ich. »Ich habe deine Freundlichkeit zu mir sehr geschätzt, seit ich im Iran bin. Du bist netter zu mir gewesen als sonst irgendjemand, besonders nach allem, was in den Staaten geschehen ist.« »Danke!«, sagte er. »Bist du in Ordnung?« »Ach, bitte, hilf mir doch! Ich glaube, du bist der einzige, der mit Moody reden könnte. Werde ich Mahtab jemals wiedersehen?« »Mach dir keine Sorgen. Du siehst sie wieder. Er wird sie nicht von dir fernhalten. Er liebt dich. Er liebt Mahtab. Er will nicht, dass Mahtab allein aufwächst. Er ist ohne Vater und Mutter groß geworden, und das will er nicht für Mahtab.« »Bitte, sprich mit ihm!«, bettelte ich. »Ich kann nicht mit ihm reden. Was immer er auch beschließt, es muss seine Entscheidung sein. Ich kann ihm nicht sagen, was er tun soll.« »Bitte, versuch es doch. Heute Abend.« »Nein. Nicht heute Abend.«, sagte Reza. »Ich muss morgen geschäftlich nach Rescht fahren. Wenn ich in ein paar Tagen zurückkomme und sich bis dahin nichts geändert hat, vielleicht kann ich dann mit ihm sprechen.« »Bitte, geh nicht weg. Bitte, bleib hier. Ich habe Angst. Ich will nicht allein sein.« »Doch. Ich muss gehen.«
Früh am Abend schloss Essey die Tür auf. »Komm herunter.«, sagte sie. Ellen und Hormoz
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