01 - Nicht ohne meine Tochter
bewerben. »Sie haben mir einen Job als Kassierer angeboten.«, beklagte sich Reza, als er von dem Vorstellungsgespräch zurückkam. »Aber ich will nicht Kassierer bei einer Bank werden.« »Viele Leute wären froh, wenn sie diese Stelle hätten.«, sagte ich, verärgert über seine Einstellung. »Es gibt genügend Möglichkeiten, von da aufzusteigen.« Darauf machte Reza eine bemerkenswerte Äußerung, eine, die ich erst Jahre später richtig verstand, als ich das Ego der iranischen Männer, besonders, wie es sich in Moodys Familie manifestierte, nur allzu gut kennengelernt hatte. Reza sagte: »Ich werde in diesem Land keine Stelle annehmen, wenn ich nicht der Chef des Unternehmens werden kann.« Er war es zufrieden, auf unsere Kosten zu leben, bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine amerikanische Firma so viel Weisheit besaß, sich unter seine Kontrolle zu begeben. In der Zwischenzeit verbrachte er seine Tage damit, sich am Strand zu sonnen, den Koran zu lesen, zu beten und zu versuchen, jede meiner Handlungen zu kontrollieren. Wenn er von diesen Verpflichtungen erschöpft war, machte er ein Nickerchen. Unangenehme Wochen wurden zu Monaten, bevor ich Moody zwang, etwas wegen Reza zu unternehmen.
»Entweder er geht, oder ich!«, sagte ich schließlich. Meinte ich das wirklich ernst? Wahrscheinlich nicht, aber ich verließ mich fest auf Moodys Liebe zu mir, und ich behielt Recht. Reza knurrte etwas in Farsi und zog aus, mich offensichtlich verfluchend, und in eine eigene Wohnung, die von Moody finanziert wurde. Kurz darauf kehrte er in den Iran zurück, um seine Cousine Essey zu heiraten. Als Reza weg war, konnten wir uns wieder in eine bequeme und glückliche Ehe zurückziehen, so dachte ich jedenfalls. Moody und ich hatten unsere Differenzen, aber ich wusste, dass eine Ehe Kompromisse erforderte. Ich war sicher, mit der Zeit würde sich alles einpendeln. Ich konzentrierte mich auf die positiven Seiten. Mein Leben war in vielerlei Hinsicht reicher geworden. Ich hatte endlich das schwer definierbare Etwas wiedergefunden. Wie hätte ich wissen können, dass sich mehr als 15.000 Kilometer weiter östlich ein unvergleichbarer Sturm zusammenbraute, der meine Ehe erschüttern, mich in Gefangenschaft bringen, mir meine Söhne entreißen und nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das meiner zudem noch ungeborenen Tochter bedrohen würde?
Wir waren eineinhalb Jahre verheiratet, als sich Moody kurz nach dem Neujahrsfest 1979 einen teuren Kurzwellenempfänger kaufte, der mit Kopfhörern ausgerüstet war. Es war sehr beeindruckend, Radiosendungen von der beinahe gegenüberliegenden Seite der Welt empfangen zu können. Moody hatte ein plötzliches Interesse daran entwickelt, Radio Iran zu hören. Studenten hatten in Teheran eine Reihe von Demonstrationen gegen die Regierung des Schah inszeniert. Solche Zusammenstöße hatte es schon in der Vergangenheit gegeben, aber jetzt waren sie ernster und weiter verbreitet als zuvor. Aus seinem Exil in Paris begann der Ayatollah Khomeini nun, scharfe Stellungnahmen gegen den Schah im Speziellen und den Einfluss des Westens im Allgemeinen abzugeben. Die Nachrichten, die Moody mit seinem Radio hörte, standen oft im Gegensatz zu denen, die wir abends im Fernsehen sahen. Das Ergebnis war, dass Moody gegenüber der amerikanischen Berichterstattung misstrauisch wurde.
Als der Schah den Iran verließ und der Ayatollah am darauffolgenden Tag im Triumph zurückkehrte, war das für Moody ein Grund zum Feiern. Er brachte ohne jede Vorwarnung Dutzende iranischer Studenten mit nach Hause zu einer Party. Sie blieben bis spät in die Nacht und erfüllten meine amerikanische Wohnung mit aufgeregten, lebhaften Unterhaltungen in Farsi. Die Revolution fand bei uns zu Hause genauso statt wie im Iran. Moody fing an, mit einer solchen Inbrunst seine islamischen Gebete zu sagen, wie ich sie vorher nie bei ihm gesehen hatte. Er machte Spenden an verschiedene schiitische Gruppen. Ohne mich zu fragen, schüttete er unseren kostbaren Alkoholvorrat weg, den wir für unsere häufigen Gäste bereithielten. Schon dies allein ließ die meisten unserer amerikanischen Gäste von einem Besuch absehen, und der Ton, den Moody bei Unterhaltungen anschlug, vertrieb bald auch die Anti-Alkoholiker. Moody regte sich über die amerikanische Presse auf und nannte die Reporter Lügner. Studenten benutzten während der nächsten Monate häufig unsere Wohnung als Treffpunkt. Sie bildeten, was sie »Eine
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