01 - Nicht ohne meine Tochter
Besitzer sagte, es koste fünfhundert Tumons.« Ein Tumon sind zehn Rial. »'Ich gebe Ihnen dreihundert.' sagte der Kunde. 'Nein, fünfhundert.' 'Dreihundertfünfzig.' 'Fünfhundert.' 'Vierhundert.', sagte der Kunde. 'Das ist mein letztes Angebot.' Genau in dem Augenblick kam ein anderer Kunde herein, fand ein Bild von Jesus Christus, das ihm gefiel, und erkundigte sich beim Verkäufer nach dem Preis. 'Fünfhundert Tumons.', sagte der Verkäufer. 'Gut.', sagte der Kunde, bezahlte die fünfhundert Tumons und ging. Da sagte der Geschäftsinhaber zu dem ersten Kunden: 'Mein Herr, sehen Sie sich diesen Mann an. Er ist hereingekommen, hat ein Bild gesehen, das ihm gefiel, hat mir das Geld gegeben, das ich dafür verlangte und ist wieder gegangen.' Darauf sagte der erste Kunde: 'Also, wenn Sie Khomeini ans Kreuz schlagen können, gebe ich Ihnen auch fünfhundert dafür!'« Alle im Zimmer lachten, einschließlich Moody.
Chamsey rief mich am nächsten Tag an. Sie sagte: »Betty, diese Alice ist ja eine wunderbare Frau. Du solltest dich wirklich mit ihr anfreunden.« »Ja.«, ich war ganz ihrer Meinung. »Aber vergissEllen«, fügte Chamsey hinzu. »Ellen ist eine Niete.« Alice und ich trafen uns regelmäßig. Sie besaß als einzige Frau, die ich jemals im Iran getroffen hatte, eines von diesen neumodischen Luxusgeräten, die man Wäschetrockner nannte. Sie hatte Weichspülmittel! Und Senf! Und sie besaß einen Pass, der ihr gestattete, nach Hause zu fliegen. »Erzähl Chamsey bloß nie, wie es dir im Iran ergangen ist«, warnte mich Moody. »Und auch Alice nicht. Wenn du es doch tust, siehst du die beiden nie wieder.« »Ja.«, versprach ich. Er war damit zufrieden, das zu glauben, was er glauben wollte, und das Thema einer Rückkehr in die USA würde nie wieder aufs Tapet kommen. Er hatte gewonnen. Er hatte mir angetan, was Hormoz Ellen angetan hatte. Und aufgrund meines Versprechens konnte er mir erlauben, ungezwungenen Kontakt mit Chamsey und Alice zu haben. Eigentlich hatte er auch kaum eine andere Wahl, denn wenn er versuchen sollte, mich in unserer neuen Wohnung einzusperren, würde er die Scharade einer glücklichen Ehe vor unseren Freunden nicht aufrechterhalten können.
Obwohl sich Moodys Verhältnis zu seiner Familie abgekühlt hatte, mussten wir noch sozialen Verpflichtungen nachkommen. Moody wollte zwar Baba Hadschi und Ameh Bozorg nicht zum Abendessen einladen, aber er musste ihnen doch Respekt zollen. Wir hatten diese obligatorische Einladung schon viel zu lange aufgeschoben. »Mahtab hat Schule, und sie muss um acht Uhr im Bett sein, also kommt um sechs«, sagte er seiner Schwester am Telefon. Sie erinnerte ihn daran, dass sie nie vor zehn zu Abend aßen. »Das ist mir egal.«, sagte Moody. »Ihr esst um sechs oder ihr kommt überhaupt nicht.« In die Enge getrieben, nahm Ameh Bozorg an. Damit uns ihre Anwesenheit nicht zu schwer fiel, hatten wir auch die Hakims eingeladen, uns an diesem Abend Gesellschaft zu leisten. Ich bereitete ein besonderes Essen vor. Als Entree sollte es Hähnchencrepes geben, denn ich wollte das beste Fleisch verwenden. Wegen der erfolgreichen Marktausbeute gab es den ersten Rosenkohl, den ich im Iran entdeckt hatte. Zusammen mit Porree und Möhren, die ich leicht blanchierte.
Baba Hadschi und Ameh Bozorg, die noch Madschid und Fereschteh mitbrachten, kamen eher gegen acht als um sechs, aber das hatten wir erwartet, und es war ein akzeptabler Kompromiss. Zusammen mit den Hakims setzten wir uns zum Essen an unseren Esszimmertisch. Die Hakims waren weltgewandt genug, sich anzupassen, aber Baba Hadschi und Ameh Bozorg hatten Schwierigkeiten, sich gut zu benehmen, obwohl sie sich redliche Mühe gaben. Baba Hadschi starrte das ungewohnte Silberbesteck an und war nicht sicher, wie er es benutzen sollte. Ich merkte, dass er sich fragte, was er mit der Stoffserviette machen sollte, und dass er es wahrscheinlich als lächerliche Extravaganz betrachtete, wenn jeder sein eigenes Glas hatte. Ameh Bozorg wandsich auf ihrem Stuhl, weil es ihr nicht gelang, eine bequeme Stellung zu finden. Schließlich nahm sie ihren Teller vom Tisch, setzte sich auf den Esszimmerfußboden und plapperte hocherfreut vom Rosenkohl, den sie »Bettys kleine Kohlköpfe« nannte. In wenigen Augenblicken herrschte in meinem Wohnzimmer großes Durcheinander. Stücke von Essensresten flogen überall auf dem Tisch und auf dem Boden herum, da die Gäste die Hände und nur gelegentlich einen Löffel
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