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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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wild und wahllos Feuerbälle auf die Emporen und in die Seitengänge. Sein Haar glomm und seine Kutte qualmte, weil er so dicht an den flammenden Schleiern auf dem Boden stand, aber er achtete nicht darauf. Dann lief er zu Alael zurück und hielt den Dolch vor sich ausgestreckt. Sein Gesicht war zu einer mörderischen Fratze verzerrt. Er brüllte etwas, was in dem tosenden Lärm unterging, und stürzte sich auf sie.
    Mitten im Stoß schien ihn etwas Unsichtbares abzufangen und schleuderte ihn mit wehender Kutte in den Mittelpunkt des Musters. Alael sah, wie er zu einem Schrei ansetzte, doch dann schrie sie selbst auf, als er zerrissen wurde. Ein Glied nach dem anderen wurde von seinem Körper getrennt, Gelenk von Gelenk, und Flammen, kein Blut, strömten heraus, während das verstümmelte Fleisch von den Schleiern aufgesogen wurde, wie Treibgut, das von einer reißenden Strömung gepackt wird. Die Schleier zitterten und schwankten, als würden sie von starkem Wind erfasst. Sie bogen sich, neigten sich und richteten sich auf die fünf Endpunkte des Musters aus, fünf unscharfe, schwarze Löcher im Boden. Die langen schwarzen Rauchsäulen wurden ebenfalls hineinzogen, und Alael fühlte, wie der Sog an ihrem Körper und Geist zerrte, während der ohrenbetäubende Lärm seinen Höhepunkt erreichte.
    Schließ deine Augen…
Die Stimme in ihrem Kopf flößte ihr Angst ein und versetzte sie fast in Panik.
    Schließ jetzt die Augen, meine letzte Wahre …
    Sie gehorchte, als die Welt in einem blendenden, ohrenbetäubenden Krach auseinanderbrach, der kein Ende zu nehmen schien …
    Der furchtbare Lärm endete, und der Gestank nach verbranntem Fleisch stieg in ihre Nase, und sie bemerkte, dass sie zusammengerollt auf dem Boden lag und etwas Raues und Schweres an ihre Brust drückte. Sie schlug die Augen auf.
    Boden und Wände waren schwarz von Ruß, und hier und dort flackerten noch kleine, unruhige Feuer. Sie sah Trümmer einer zerschmetterten Säule, die geschmolzen und glasig waren, und ein großes, gezacktes Loch in der Wand, durch das sie den Himmel mit seinen Wolkenfetzen und Sternen erblickte. Durch diesen Spalt wehte ein Wind, der die Asche in dem Saal aufwirbelte. Sie wusste nicht, dass er in der Nähe war, bis eine Hand ihr den Keim aus ihren erschöpften Händen wand.
    »Diese Kugel wird genügen…« Seine Stimme klang gebrochen und qualvoll. »Ich bekomme mein Königreich noch …«
    Er ignorierte ihr Flehen, packte ihren Arm, zerrte sie hinter sich her über den schmutzigen Boden, und ließ nicht von ihr ab, selbst als lautes Klopfen und Hämmern an der Tür zum Flur ertönte. Auf halber Strecke zu einer der Seitengalerien stürzte er und keuchte vor Schmerz, und noch bevor er sie erneut packen konnte, flogen die Türen krachend auf, und ein triumphierender Chor von Stimmen erklang. Frustriert rappelte er sich auf und flüchtete sich in den Schatten unter den Emporen. Sekunden später halfen Alael freundliche Hände und boten ihr Wasser an. Kodel kniete sich neben sie und wischte ihr mit einem feuchten Tuch das Gesicht ab.
    »Sucht nach dem Mutterkeim«, sagte jemand anders. »Er muss hier sein.«
    Alael schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich schuldig und empfand den scharfen Schmerz des Verlustes. »Ich habe ihn verloren.« Ihre Stimme klang brüchig. »Er hat ihn mir genommen, und ich konnte ihn nicht daran hindern.«
    »Wer hat ihn genommen?«, fragte Kodel ruhig.
    »Dow Korren«, sagte sie und ließ ihren Tränen freien Lauf.

27
    Heiß das Blut,
Kalt die Klinge,
Lass den Tod sich vom Tode nähren,
und das Leben das Leben verraten.
    ESHEN KAREDU,
Die Sage vom Rächer, Kapit 9, iv
    Als der heiße, rußige Wind abgekühlt war und sich schließlich gänzlich gelegt hatte und die geisterhaften Linien in dem Großen Audienzsaal, erstickt von Feuer und Asche, schließlich verblasst waren, standen fünf Gestalten auf einer Waldlichtung in einem Kreis von Fackeln. Byrnak atmete tief ein und aus, lange, bebende Atemzüge, während er versuchte, seine Erleichterung zu verbergen. Er war immer noch er selbst, immer noch ganz. Als seine Macht ausgeströmt war, um sich mit den anderen in dem misslungenen Weben der Seelen zu vereinen, hatte er in die Tiefen des sich entfaltenden Schauspiels geblickt, die pure, unerschütterliche Hingabe des Akolythen Galred gesehen, die Aura der gefangenen Niederen Macht, die das Mädchen umgab und sie durchdrang. Und den Mutterkeim, der weniger ein Gefäß war als ein Kanal vom Reich der

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