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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Reiter hatten ihre Pferde im letzten Moment herumgerissen und waren so der Falle entkommen. Sie warteten und schauten dem Todeskampf ihres Kameraden teilnahmslos zu. Suviel beobachtete sie mit grimmiger Befriedigung. Dann runzelte sie die Stirn, als sich die beiden Reiter einige Sekunden lang schweigend ansahen, gleichzeitig ihre Pferde wendeten und den Pfad Zurückritten, den sie gekommen waren. Suviel seufzte und eilte zu ihrem eigenen Tier, band es los, stieg in den Sattel und ließ das sumpfige Tal im Galopp hinter sich.
    Sie folgte dem Weg in die Berge, hielt sich im Schutz der Bäume und schattigen Schluchten und musterte prüfend das Gelände, bevor sie sich über eine freie Fläche wagte. Sie wusste, dass die Diener ihre Fährte schon bald wieder aufnehmen würden. Sie musste einen bestimmten Platz erreichen, eine tiefe, nicht allzu breite Schlucht, den ein gewaltiger, umgestürzter Baum überspannte. Auf der anderen Seite der Schlucht führte ein einfacherer, direkter Weg nach Krusivel zurück. Sie hoffte, dass in dem halben Jahrzehnt, seit sie das letzte Mal dort gewesen war, niemand auf die Idee gekommen war, den Übergang zu zerstören.
    Es wurde allmählich heller, und obwohl ständig dunkle Wolken über den Himmel trieben, blieb der Regen aus. Dennoch wurde es nicht warm, als Suviel über Pässe und durch Schluchten ritt, welche noch nie die Strahlen der Sonne gesehen hatten und in denen nur zähe, dornige Büsche gediehen. Unterwegs bemerkte sie zerfallene Ruinen von Gebäuden und sogar das eingestürzte, von zerborstenen Säulen gesäumte Portal eines kleinen Tempels, der in halber Höhe in eine Klippe gehauen worden war. Sie konnte gerade noch die verwitterten Umrisse der Stufen erkennen, die in den blanken Fels führten und unmöglich zu erklimmen waren. Das hier waren uralte Ruinen, zerbröckelnde Fragmente eines versunkenen Königreiches aus dem sagenumwobenen Zeitalter der Kriege. Der Name des Reiches war längst in den Nebeln der Jahrhunderte untergetaucht. Sie verzog das Gesicht. Wer würde sich wohl in dreitausend Jahren noch an den Namen Khatrimantine erinnern?
    Wenn wir scheitern, niemand.
    Der Pfad war kaum breiter als ein Ziegenweg und führte über einen steilen Hügel vorbei an Stechginster und Nebeltang, bis er sich wieder senkte und in das felsige Bett eines ausgetrockneten Stromes mündete. Hier stieg sie ab und ging zu Fuß weiter. Sie ließ ihre Blicke nach rechts und links schweifen und lauschte auf jeden noch so geringen Laut. Bis auf die Geräusche kleinerer Lebewesen im Unterholz blieb jedoch alles friedlich. Es war eine tröstliche Ruhe, aber sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, der Stille zu misstrauen. Einen Moment sehnte sie sich nach der Sicherheit von Krusivel, dem verborgenen Zufluchtsort in Kejana, doch sofort unterdrückte sie dieses Gefühl. Es lauerten zu viele Gefahren um sie herum, als dass sie sich einer vergeblichem Sehnsucht hätte hingeben dürfen. Die Baumwipfel rechts und links von ihr überspannten den Weg, und ihre Zweige verflochten sich über ihrem Kopf zu einem Blätterdach. Dieser Baldachin filterte das fahle Morgenlicht und ließ nur schattigen Dämmer durch. Nach einer Weile lichteten sich die Blätter, und Suviel folgte einem kaum erkennbaren Pfad der früheren Uferböschung hinauf. Auf dem Kamm blieb sie stehen und sah sich um. Ein unebener Hang senkte sich zum Rand eines gähnenden Schlundes, der wie ein dunkler Riss in der Welt wirkte. Zu beiden Seiten des Abgrundes erhoben sich steile Bergflanken. Sie bestanden aus abweisenden, vom Wind zerklüfteten Steinen, die nur gelegentlich von kleinen, grünen Flecken unterbrochen wurden. Dort hatte sich in Nischen Feuchtigkeit gesammelt, die Gräsern und Flechten kargen Schutz boten. Einige verkümmerte Büsche wuchsen am Rand der Felsschlucht und nahe an dem ausgetrockneten Flussbett. Nur ein einziger Baum war hier je gewachsen, ein gigantischer Agathon, der früher einmal dicht am Abgrund gewurzelt hatte, bis ein Sturm ihn letztendlich besiegt und ihn über den Abgrund gestürzt hatte. Im Lauf der Jahrhunderte hatten Reisende und Kaufleute ihn nach und nach ausgehöhlt, bis aus dem großen Baum eine richtige Brücke geworden war. Der Überweg war von hohen Rändern geschützt und breit genug, dass sogar Karren hindurchfahren konnten. An beiden Enden waren gepflasterte Rampen angelegt worden.
    Suviel sah sich misstrauisch um. An dieser Stelle trafen einige Pfade und Schluchten zusammen und bildeten

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