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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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tue, was ich kann«, erwiderte sie gepresst und sah der Frau gerade ins Gesicht. Die biss sich auf die Lippen und ließ das Schwert sinken. Suviel nickte, eilte zu ihrem Pferd, das nicht weit entfernt an dem dürren Gras zupfte, stieg auf und folgte der Schwertkämpferin und ihrem Gefährten über die große Baumbrücke. Der Mann war eigentlich noch ein Junge, und hing fast ohnmächtig im Sattel. Seine Augen waren halb geschlossen, und er hielt mit der Rechten schlaff die Zügel, während sein linker Arm vollkommen unter seinem Umhang verborgen war. Sobald sie die andere Seite erreicht hatten, stieg die Kriegerin ab und zog eine Holzaxt und einen langen Hammer aus ihrem Gepäck.
    »Hier.« Sie reichte Suviel den Hammer. »Wir müssen die Brücke zerstören. Es ist unsere einzige Chance.«
    »Chance? Was meinst du damit?«
    Die Frau warf ihr einen harten Blick zu. Aber Suviel erkannte auch den gehetzten Ausdruck in ihren Augen. »Unsere Verfolger kennen kein Mitleid. Sie werden uns langsam umbringen, nachdem sie sich vorher mit uns vergnügt haben, auf jede Art und Weise, die ihnen in den Sinn kommt.« Ohne ein weiteres Wort drehte sich die Frau zu der Baumbrücke um und hackte dicht am Abgrund in den Boden. Suviel versuchte, einen guten Ansatzpunkt für einen Hebel zu finden. Der Griff des Hammers war durch langen Gebrauch geschwärzt. Er bestand aus einem leicht gebogenen Stück Steinholz, das so lang wie ihr Arm war, und einem Kopf aus schartigem, ausgehöhltem Eisen. Schon bald wurde klar, dass sie der schweren Brücke weder mit der Axt noch mit dem Hammer beikommen konnten. Sie hörte die Frau fluchen und blickte hoch. Eine Gruppe von Reitern, vielleicht dreißig oder mehr, erschien hinter einem Felsen auf dem Bergpfad jenseits des Abgrundes. Die Männer ritten ohne Zögern den Hang hinunter, der zu der Brücke führte.
    Die Kriegerin stieß einen Fluch aus und hackte frustriert ein Stück Holz aus dem ausgehöhlten Baumstamm, der sich all ihren Versuchen, ihn zu bewegen, hartnäckig widersetzte. »Komm!«, rief sie Suviel dann zu. »Wir müssen reiten …«
    Suviel hörte die Erschöpfung in ihrer Stimme und auch die Wut, die sie antrieb. Der Junge auf dem Pferd murmelte schwach mit gesenktem Kopf einige schmerzverzerrte Worte. Zwei verzweifelte Flüchtlinge, eine Kriegerin und ein Verwundeter. Plötzlich wusste Suviel genau, was sie zu tun hatte, obwohl der Gedanke allein sie maßlos erschreckte. Es ist reiner Wahnsinn, hier Niedere Magie einzusetzen, dachte sie. Ich könnte damit alles riskieren. Aber ich kann die beiden nicht einfach ihrem Schicksal überlassen …
    »Ich kümmere mich um die Brücke«, sagte sie. »Bleib du bei deinem Freund.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Im Namen Der Mutter!«, knurrte sie und wollte Suviel packen. »Komm mit, bevor wir alle …«
    Suviel packte die ausgestreckte Hand der Kriegerin, brachte sie mit einem Ruck aus dem Gleichgewicht und stieß sie rücklings zu Boden.
    »Kümmere dich um deinen Freund und überlass das hier mir.«
    Die Frau sah sie wütend an, doch in ihren Augen zeigte sich widerwilliger Respekt. Dann schaute sie zu den Reitern hinüber, sprang auf die Füße und hastete mit weit ausholenden Schritten zu dem Jungen. Suviel drehte sich zu den Reitern herum, suchte Zuflucht in der Niederen Macht und brachte damit den Aufruhr in ihrem Inneren zum Verstummen. Beinah ungebeten strömte die Niedere Magie in die Stille, die sie erzeugt hatte. Eine süße, mächtige Klangfülle, die sie nach ihrem Gutdünken formen konnte.
    Rasch malte sie sich den Gedankengesang der Kadenz aus. Während er sich entfaltete, fühlte sie, wie kleine Schallwellen von ihr ausstrahlten. Sie trafen auf den Boden, die Baumbrücke und wurden von dort zu ihr zurückgeworfen. Plötzlich nahm sie mit ungeheurer Intensität die Erde zu ihren Füßen wahr, die feuchten Krumen und Steine und die Wurzeln der Gräser und Pflanzen. Sie bildeten eine dichte Schicht, die zum Abgrund hin immer dünner wurde. Sie konzentrierte die Niedere Macht auf den Rand des Abgrundes, auf dem die Baumbrücke ruhte. Sie ließ die Schallwellen in den soliden Fels dringen und fand die genaue Tonhöhe und Intensität, welche den Stein in Schwingung versetzte. Die Reiter fegten im vollen Galopp auf die Brücke zu und hatten sie fast erreicht, als ein lautes Knacken ertönte. Suviel trat einen Schritt zurück, als der Rand des Abgrundes unter der Brücke zerfiel. Der gewaltige Baumriese sackte einen halben Meter ab

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