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01 - Tage der Sehnsucht

01 - Tage der Sehnsucht

Titel: 01 - Tage der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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dachte nicht im Traum daran,
sie zu verlassen.
    An einem kalten
Frühlingsabend saßen alle in der Gesindestube und verzehrten ihr bescheidenes
Mahl, das aus einer dünnen Suppe und altbackenem Brot bestand. In besseren
Tagen pflegten sich Rainbird und Mrs. Middleton in das Zimmer der Haushälterin
zurückzuziehen, das sich in halber Höhe der Hintertreppe befand, um dort Wein zu
trinken. jetzt aßen sie zusammen mit den anderen Dienern, was da war. Das Haus
schien sich auf ihre Köpfe herabzusenken. Es war fast menschenleer, aber voller
Möbel, die mit Leintüchern bedeckt waren.
    Gewöhnlich bildete
die Dienerschaft eine geschlossene Einheit. Sie war sich einig in ihrer
heftigen Abneigung gegen den Agenten Palmer. Aber das änderte sich eines
Abends, als Joseph, der Lakai, hereingetänzelt kam und sich schmollend am Tisch
niederließ.
    »Zum Teufel mit
diesen Straßenjungen!« fluchte er und hielt eines seiner wohlproportionierten
Beine hoch, das in einen weißen seidenen Strumpf mit eingestickter schwarzer
Verzierung gehüllt war.
    »Was haben die denn
angestellt?« fragte der schottische Koch MacGregor, während er wässrige Suppe
in eine Schüssel füllte.
    »Sie haben mit
einer Nadel in meine Waden gestochen, um zu sehen, ob sie echt sind.«
    Viele Lakaien
trugen Waden aus Holz, wenn sie keine ansehnliche Beinmuskulatur aufzuweisen
hatten, denn feste Waden waren in diesem Beruf einfach unerlässlich.
    »Und sind sie es?
Echt, meine ich«, erkundigte sich der Koch und stellte die Schüssel mit Suppe vor
Joseph hin.
    »Natürlich sind sie
echt, Sie ungehobelter Flegel. Ein Glück, dass Sie kein Lakai sind. Sie müssten
ganze Eichenstämme tragen, damit Ihre spindeldürren Schenkel nach mehr
aussähen«, erwiderte Joseph und kicherte. Dann nahm er seinen Löffel in die
Hand. »Pfui! Was ist das für eine abscheuliche Brühe?«
    »Mr. MacGregor hat
hier in der Nähe eine Katze entdeckt«, sagte Jenny, die Zofe, und lachte.
     »Das lasse ich mir
nicht länger gefallen«, schimpfte der schottische Koch, griff nach einem
Bratspieß und trat auf Joseph zu.
    »Jetzt reicht's«,
sagte Rainbird in scharfem Ton. »Gehen Sie zur Pumpe, Angus, und kühlen Sie
sich ab! Und Sie, Joseph noch eine solche Bosheit, und wir ziehen Ihnen
Frauenkleider an.«
    »Bravo«, spottete
MacGregor.
    »Nur weil mir eine
gewisse Eleganz zu eigen ist, die sich nicht beschreiben läßt, braucht ihr euch
nicht über mich lustig zu machen.« Joseph holte eine Flasche Moschus hervor und
hielt sie sich kokett unter die Nase.
    Mrs. Middleton
griff danach. Sie machte es so ungeschickt, dass sich der Inhalt der Flasche
über den Tisch ergoß. Der durchdringende Moschusduft vermischte sich mit dem
strengen Geruch des Hammelfleisches, der aus der Suppe aufstieg.
    »Woher haben Sie
das?« wollte Mrs. Middleton wissen. »Wir sollten unsere paar Pfennige für das
gemeinsame Essen ausgeben.«
    Dave, der
Küchenjunge, hielt einen seiner schmutzigen Finger in die Lache mit dem
verschütteten Parfüm, betupfte sich damit hinter den Ohren und begann auf und
ab zu tänzeln. »Seht mich an«, sagte er und stemmte seine kleine Hand in die
Hüfte. »Ich bin Harriette Wilson.« Harriette Wilson war die angesehenste
Kurtisane von London und wurde allgemein die »Königin der Nutten« genannt.
    »Setz dich!«
verlangte Alice und machte eine entsprechende Kopfbewegung. »Ich werde dich mit
der Rute züchtigen, Dave, pass nur auf!«
    »Nur für
Lebensmittel darf Geld ausgegeben werden«, sagte Rainbird streng.
    »Ich konnte nicht
anders«, beteuerte Joseph in klagendem Tonfall. »Ich brauchte irgend etwas, um
den Mut nicht zu verlieren. Da ist Luke, dieser Lakai von nebenan. Bei ihnen
werden bald Lord und Lady Charteris eintreffen, und das heißt, es gibt
Abendempfänge, Gesellschaften und eine Menge Trinkgelder. Eine neue Livree hat
er auch bekommen und gleicht jetzt einem Tagedieb aus der Bond Street, was ich
ihm ins Gesicht gesagt habe. Ich hasse alles, die schmuddelige Küche, das miese
Essen und nichts zum Lachen. Ihr versteht das nicht.«
    »Immer müssen Sie
jammern«, meinte MacGregor, der ihm die beleidigende Äußerung über seine Beine
noch nicht verziehen hatte. »Sich herausputzen ist alles, was Sie tun, während
ich ausgehe, um etwas Essbares für uns aufzutreiben. Und dabei bin ich der
beste Küchenchef von London. Ich habe nur keine Gelegenheit, es zu beweisen.
Ich hasse euch alle ...« Er wechselte ins Gälische. Obwohl ihn niemand
verstand, hörte es

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