01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
was gewisse Gentlemen betrifft, hören wirst.«
Da dies keine Frage war, begnügte sich Angelica mit einem gehorsamen Nicken.
»Gut. Dann lass uns jetzt über damenhaftes Benehmen sprechen …« Eine halbe Stunde später gelang es Angelica endlich, sich in die Bibliothek zu flüchten, wo sie erst einmal tief Luft holte. Diese spezielle Benimmstunde war ihr besonders lang geworden, und wenn sie nicht aufpasste, dann würde sie noch anfangen, die Worte Ehe, Ehemann und Kinder wie irre vor sich hin zu brabbeln!
Die Ironie an der Sache war, dass Angelica schon selbst alles tat, um in den heiligen Stand der Ehe zu treten, was ihre Tante allerdings nicht ahnen konnte.
Und bis vor kurzem hatte sie auch geglaubt, dabei gute Fortschritte zu machen …
Nicholas hatte sie an der vereinbarten Stelle im Park erwartet, doch kaum war sie mit Joanna herangeritten, hatte er sich mit einer wichtigen Verabredung herausgeredet und war verschwunden.
Nun, zumindest hatte er ihr versprochen, es mit einer nachmittäglichen Kutschfahrt wieder gut zu machen.
Angelica warf einen Blick auf die Wanduhr. »Noch vierzig Minuten.« Sie lächelte. Liebevoll strich sie mit den Fingern über die langen Regalreihen voller Bücher: genug Zeit, um herauszufinden, von wem das verflixte Zitat stammte, das Mikhail ihr heute früh zum Abschied hingeworfen hatte!
»Prinzessin Belanow?«
Angelica, die soeben einen dicken Wälzer herausgeholt und aufgeschlagen hatte, blickte ungeduldig auf.
»Ja?«
Ein Dienstmädchen steckte den Kopf herein und machte einen Knicks.
»Vergebung, aber Lady Dewberry bittet Sie in den Salon. Sie haben Herrenbesuch.«
»Danke.«
Das Mädchen knickste erneut und verschwand. Herrenbesuch? Hoffentlich nicht dieser schreckliche Lord Anthony. Man hatte ihr gesagt, dass er fast jeden Tag vorsprach. Guter, alter Herrings! Der Butler war unnachgiebig, wenn er die Order hatte, bestimmte Leute nicht vorzulassen.
Auf dem Weg zum Salon ermahnte sie sich, besonders höflich und gesittet zu sein, wer immer es auch sein mochte. Die zermürbende Predigt ihrer Tante reichte ihr einstweilen.
Ob es Nicholas war? Vielleicht war er ja früher gekommen …
»Da bist du ja, meine Liebe!«, rief Lady Dewberry aus, als Angelica das Zimmer betrat. »Schau, wer zu Besuch gekommen ist.«
Angelica wäre beinahe die Kinnlade heruntergeklappt. Was hatte er hier zu suchen?
Sie versuchte es mit einem Lächeln, musste jedoch plötzlich an den Kuss denken und wurde prompt rot. Warum musste dieser Mann auch so eine Wirkung auf sie haben!
Eine winzige Sekunde lang wünschte Angelica, ihre Tante würde Alexander Kourakin in ihre Liste in Frage kommender Kandidaten aufnehmen. Sie wusste instinktiv, dass ihr mit diesem Mann nie langweilig werden würde. Er war klug, weit gereist, und falls der Vorfall vor zwei Tagen ein Anhaltspunkt war: einfühlsam und hilfsbereit.
Vor allem jedoch wusste er bereits, was sie war, und hatte trotzdem nicht die Flucht ergriffen. Im Gegenteil: Er war wie sie.
Doch dieser Gedanke löste sich in Luft auf, sobald er einen Schritt auf sie zutrat. Dieser Mann war schlichtweg zu willensstark, zu dominant. Er würde ihr keine Freiheiten lassen, würde vollkommenen Gehorsam erwarten.
Und Gehorsam war nicht gerade ihre Stärke.
Nein, nein, Nicholas war viel besser. Außerdem bezweifelte Angelica, dass Alexander überhaupt heiraten wollte. Sie aber musste heiraten, und zwar rasch. Nein, er kam nicht in Frage. Doch immerhin hatte sie von ihm das wertvollste Geschenk erhalten, das sie sich vorstellen konnte: inneren Frieden. Das musste genügen.
»Prinz Kourakin.«
Sie knickste andeutungsweise und lächelte zu ihm auf. In ihren Augen war er mehr oder weniger ein Held. Wenn auch ein gefährlicher.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie brav.
Er verzog keine Miene; kein Lächeln, auch nicht dieser hitzige Blick, den sie allmählich so gut an ihm kannte. Stattdessen sah er zu Lady Dewberry.
»Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«, fragte ihre Tante.
»Das wäre sehr freundlich«, antwortete Alexander.
Zu Angelicas grenzenloser Verblüffung nickte ihre Tante daraufhin und meinte lächelnd: »Ich werde mich sofort darum kümmern. Für gewöhnlich würde ich meine Nichte natürlich nicht mit einem Herrn allein lassen, aber da Sie ein Freund von Prinz Mikhail sind, kann ich mich wohl auf Sie verlassen.«
Mit einem abschließenden Blick zu Angelica, der sagen wollte: »Benimm dich!«, ging sie.
»Auf Sie verlassen?«
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