01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
hätte es also büßen müssen, wenn sie zu fliehen versucht hätte? Wieso hatte er sich überhaupt auf so etwas eingelassen?
»Dann kann ich also nicht weg?«
»Nur in Begleitung des Prinzen, und der …«
»Muss zur Beerdigung«, beendete Angelica hölzern den Satz.
Joanna stand auf und begann nervös auf und ab zu gehen. »Ach, es ist einfach Pech. Aber das wird schon, keine Sorge, Angelica.«
Angelica schaute Joanna mit einem trockenen Lächeln an.
»Machst du deshalb einen Trampelpfad in den Teppich? Weil ich mir keine Sorgen zu machen brauche?«
Joanna blieb sofort stehen. »Nein, nein, das mache ich bloß, weil ich doof bin. Nein, ehrlich, Angelica, das wird schon. Der Prinz würde nie zulassen, dass dir etwas zustößt. Keiner von uns würde das zulassen.«
Angelica fragte sich, was Joanna wohl machen würde, wenn die Ältesten beschlössen, sie in ein Zimmer zu sperren und dort sich selbst zu überlassen.
»Angelica?«
Die Herzogin kam lächelnd herein, was Angelica gleich ein bisschen aufmunterte. »Ah, Joanna, du bist auch da, wunderbar.«
Angelica, die beschlossen hatte, vorerst keine Fragen mehr zu stellen, weil sie sie ohnehin bloß noch mehr verwirrt hätten, schwieg und überließ Joanna das Reden.
»Was habt ihr beschlossen?«, fragte Joanna eifrig.
Anstatt zu antworten, drückte Margaret Angelica den schwarzen Kapuzenumhang in die Hand, den sie mitgebracht hatte.
»So, meine Liebe. Du musst jetzt ganz ruhig bleiben und darfst keine Angst haben. Dir wird nichts geschehen. Niemandem wird etwas geschehen.«
»Sie wird teilnehmen?«, rief Joanna ungläubig.
Angelica starrte mit großen Augen auf den Mantel. Sie sollte an einer Vampirzeremonie teilnehmen! Und nach dem, was sie von der letzten mitbekommen hatte, war sie eigentlich nicht sonderlich scharf darauf …
»Aber nur Vampire dürfen teilnehmen … das ist doch verboten!«, stammelte Joanna verwirrt. »Wie wollt ihr das den anderen erklären?«
Margaret bedeutete Joanna, leiser zu sein, und machte die Tür fest zu.
»Es ist nicht direkt verboten. Alexander und James haben eine ganze Stunde lang über unserem Gesetzbuch gebrütet. Es steht nichts darin, dass kein Mensch an der Zeremonie teilnehmen darf. Das versteht sich eigentlich von selbst, da ja bisher kein Mensch etwas von uns wissen durfte.«
Jetzt verstand Joanna: »Aber weil Angelica einen Führer hat und über uns Bescheid weiß, darf sie teilnehmen.«
»Genau. Trotzdem sollten die anderen nicht erfahren, dass sie kein Vampir ist. James fürchtet, dass das zu Komplikationen führen könnte, und wir haben nicht genug Zeit, um alles genau zu erklären.«
Angelica, die bisher stumm zugehört hatte, konnte nun nicht länger an sich halten. »Soll das heißen, ich muss tun, als wäre ich ein … einer von euch?«
Die Herzogin schenkte ihr einen mitfühlenden Blick. »Du hast nichts zu befürchten, Angelica. Ich werde dir alles genau erklären. Die meiste Zeit musst du ohnehin bloß zuhören.«
Angelicas Blick wechselte von Margarets lächelndem Gesicht zu Joannas besorgter Miene. Jetzt hätte sie eine ganze Menge dafür gegeben, ihre Gedanken lesen zu können.
Ein kräftiger Windstoß fuhr in Angelicas Kapuzenumhang und drohte mehr von ihr preiszugeben, als ihr lieb sein konnte. Panisch hielt sie den schwarzen Stoff zusammen.
Als Margaret von ihr verlangt hatte, sie solle sich ausziehen und nur diesen Umhang umlegen, hatte sie sich zunächst strikt geweigert. Schließlich hatte sie sich noch nie nackt gezeigt, weder Menschen noch Vampiren.
Ich bin nicht nackt! , versuchte sie sich einzureden, die Finger in den schwarzen Stoff verkrallt.
Die anderen etwa hundert Vampire - ebenfalls in schwarze Umhänge gehüllt, unter denen sie nichts anhatten - standen scheinbar ungerührt im dunklen Wald und machten sich nichts aus dem Wind, der die Schöße ihrer Umhänge aufblies, oder aus dem kalten Erdboden unter ihren nackten Füßen. Aller Augen waren auf die Leiche gerichtet, die sie, auf Wunsch ihres Clanführers, in einem weiten Halbkreis umstanden.
»Tritt vor, Leser, und berichte uns von ihrem Leben«, befahl der Herzog mit weit hallender Stimme.
Nun trat ein kleiner Mann mit schulterlangen blonden Haaren und Hakennase vor die Anwesenden. Angelica machte einen kleinen Schritt, um besser sehen zu können, bereute es aber sofort. Sie biss sich auf die Unterlippe und warf einen nervösen Blick in die Runde, doch glücklicherweise schien niemandem etwas
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