01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
Alexander gehörte zu den Ältesten, er war über fünfhundert Jahre alt - sie könnten also zusammen alt werden. Ein Vampir wurde ja nicht älter als sechshundert, oder?
Ein nervöses Lachen stieg in ihrer Kehle auf. Ihre Gedanken rasten. Sie brauchte sich nichts vorzumachen: Wenn er sie fragte, würde sie ja sagen. Ohne zu überlegen. Aber es sah nicht so aus, als wollte er fragen. Weder das, noch etwas anderes.
Alexander erhob sich langsam und wandte sich von ihr ab. Angelica wollte etwas sagen, ihm alles erklären. Dass sie Nicholas nicht heiratete, weil sie ihn liebte, sondern weil sie musste. Sie liebte nur einen … aber ihr Stolz ließ nicht zu, dass sie ihm dies alles verriet.
Beide schwiegen, er mit dem Rücken zu ihr. Kurz darauf hörten sie eine Kutsche vorfahren, und das riss beide aus ihrer Lähmung.
Alexander ging ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.
Aber Angelica hatte keine Angst. Sie wusste, dass Alexander sie nie allein gelassen hätte, wenn er eine Gefahr befürchten würde. Nein, Angst hatte sie nicht, aber sie war müde. Schrecklich müde.
Als sie gerade wieder aufs Sofa zurücksinken wollte, tauchte Kiril im Türrahmen auf.
»Prinzessin? Tut mir leid Sie zu stören, aber wir müssen gehen.«
»Gehen? Aber wieso? Was ist los?«
»Das darf ich leider nicht sagen«, meinte Kiril mit aufrichtigem Bedauern und hielt ihr die Tür auf. »Bitte, kommen Sie jetzt.«
Angelica merkte, wie sie wütend wurde. Und sie merkte auch, dass es besser war, wütend als traurig zu sein.
»Ach, Angelica, du tust mir ja so leid! Es muss schrecklich gewesen sein; du musst solche Angst gehabt haben.« Joanna kam mit ausgebreiteten Armen auf Angelica zu, und diese erhob sich vom Sofa und ließ sich von ihrer Freundin umarmen.
»Ach, die Angst war weniger schlimm als diese ewige Warterei hier. Joanna, kann mir denn keiner sagen, was hier los ist? Was soll ich hier?« Angelica wies mit einer ausholenden Armbewegung auf das herzogliche Gästezimmer, in das man sie sofort nach ihrer Ankunft verfrachtet hatte.
»Hat dir denn noch keiner was gesagt?«, fragte Joanna überrascht und folgte Angelica zum Sofa, wo sie sich setzten.
»Nein, keiner. Kannst du mir nicht sagen, was los ist?« Angelica war schrecklich frustriert. Sie hatte weder den Herzog noch die Herzogin noch Alexander gesehen, seit sie hier angekommen war. Selbst Kiril hatte sich bequemerweise verkrümelt.
»Nun, das ist ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt«, erklärte Joanna. »Das ist es wohl, worum es bei dem Treffen der Ältesten unten geht.«
Angelica wartete. Ihre Nervosität wuchs. Was konnte schlimmer sein als die Tatsache, dass ein geistesgestörter Vampirjäger frei herumlief?
»Gestern Nachmittag ist eine Vampirin gestorben«, erklärte Joanna.
»Ach, das tut mir leid, Joanna. Hast du sie gut gekannt?« Angelica ergriff mitfühlend Joannas Hand.
»Ach nein, kaum, Angelica. Sie war hundert Jahre älter als ich und hat meist auf dem Kontinent gelebt. Ich kannte sie kaum.«
»Worum geht’s dann?«
»Nun ja, diese Vampirin gehörte zum Nordclan. Sie hielt sich in Kent auf, als sie starb. Ihre Leiche ist auf dem Weg hierher, und die Beerdigung findet heute Nacht statt. Sie wird bis in die frühen Morgenstunden dauern. Laut Gesetz müssen alle Vampire, die zum Clan gehören oder sich derzeit im Clangebiet zu Besuch aufhalten, an der Zeremonie teilnehmen.«
Joanna schaute Angelica an, als wäre die Sache damit klar. Als diese sie jedoch weiterhin ratlos anschaute, versuchte sie es erneut.
»Wir müssen alle zur Beerdigung, Angelica. Und wenn der Vampirjäger heute Nacht käme, um sich an dir zu rächen, weil du sein Vorhaben vereitelt hast, dann wäre niemand da, um dich zu beschützen.«
Angelica blinzelte. Das musste sie erst mal verdauen. Sie würde vollkommen schutzlos sein?
»Na, dann muss ich eben irgendwo hin, wo er mich nicht findet«, sagte sie langsam.
»Ich fürchte, das kommt auch nicht in Frage, Angelica. Der Prinz konnte dich nur deshalb vor unseren Gesetzen schützen, weil er die Verantwortung für dich übernahm: will heißen, dich ständig überwacht.«
»Aber er bewacht mich doch gar nicht ständig!«
»Das stimmt, aber wenn er es nicht selbst kann, dann bittet er uns, es für ihn zu tun. Er vertraut dich uns an. Und wenn du versuchen würdest zu fliehen oder sonst wie Schwierigkeiten machst, müsste Alexander dafür geradestehen.«
Angelica konnte nicht fassen, dass sie das erst jetzt erfuhr. Alexander
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