01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
schaute sie direkt an, und sie musste an sich halten, um nicht zu ihm zu rennen, sich in seine Arme zu stürzen. Alles, was sie wollte, war in seinen Armen zu sein, beschützt zu sein, vor Sergej, vor allen anderen Vampiren, die ihr Übel wollten, vor den Menschen … vor der Welt. Wieso war sie auf einmal so von ihm abhängig? Wieso brauchte sie ihn so sehr? Aber es ließ sich nicht bestreiten, nur bei ihm fühlte sie sich sicher und geborgen.
Nun trat eine dunkelhaarige Frau in den offenen Raum vor der Leiche. Zwei andere folgten mit brennenden Fackeln. Die Frau begann, mit überirdisch schöner Stimme zu singen, und Angelica bekam eine Gänsehaut. Es war ein Lied ohne Worte, ein Lied, das von Leid und Sehnsucht und Ewigkeit kündete.
Langsam, einer nach dem anderen, wandten sich die Vampire ab und verschwanden im Wald. Angelica tat es ihnen gleich, doch bevor sie sich abwandte, sah sie, wie die beiden Vampire Jadwigas Leiche mit den Fackeln in Brand setzten.
Langsam, mit den Gedanken noch ganz bei der brennenden Leiche, schritt Angelica durch den dunklen Wald. Der Mond war soeben aufgegangen: Rund und blutrot stand er am Horizont und tauchte alles in einen scharlachroten Schimmer.
Kurz darauf tauchten Joanna und Margaret an ihrer Seite auf.
»Wie geht es deinen Füßen?«, erkundigte sich Margaret mit leiser, besorgter Stimme, den Blick auf die Vampire gerichtet, die sich in alle Richtungen zerstreuten und auf den Heimweg machten.
Ihre Füße? Ach, die hatte sie angesichts des durchdringenden Gestanks nach verbranntem Fleisch ganz vergessen.
»Daran habe ich überhaupt nicht mehr gedacht«, antwortete sie flüsternd. Die Vampirinnen lächelten.
»Das hast du wirklich gut gemacht, Angelica. Ich bin stolz auf dich!«, sagte Joanna eine Viertelstunde später. Sie waren in einen Pfad eingebogen, der zu ihrer Droschke führte; bald wären sie wieder zurück in der herzoglichen Residenz.
»Ja, wir sind stolz auf dich«, stimmte auch Margaret zu. »Vergiss nicht: Die Hälfte hast du bereits hinter dir.«
Angelica nickte, und die drei stiegen stumm in die Droschke.
Margaret verständigte sich durch einen Blick mit Joanna und brach dann das angespannte Schweigen.
»Da ist noch etwas, Angelica. Wir haben es bisher noch nicht erwähnt, weil wir dich nicht zu sehr beunruhigen wollten.« Sie rutschte unbehaglich hin und her, legte ihre Hand auf ihren schwangeren Leib und fuhr dann fort: »Die Feier des Todes ist für uns immer auch eine Feier des Lebens, der Leidenschaft. Wir wollen nicht vergessen, was das Leben lebenswert macht.«
Indem sie einer Toten die Zähne herausschnitten und sie wie eine Heidin verbrannten? Das verstand Angelica nicht, aber sie sagte nichts.
Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, meinte Margaret lächelnd: »Die Zähne wurden ihr entfernt, weil wir sie zusammen mit dem kleinen schwarzen Buch in unserer Archivkammer aufbewahren. Auf diese Weise wird sie nie vergessen werden. Ihr Körper dagegen muss verbrannt und der Mutter Erde zurückgegeben werden, damit die Menschen keine Spur von uns finden.«
Joanna bedeutete Margaret mit einem panischen Blick, dass die Zeit knapp wurde, was Angelica nicht gerade als ein gutes Zeichen auffasste. Was immer sie ihr bis jetzt verschwiegen hatten, es konnte nichts Gutes sein. Sie war versucht, einen raschen Blick in ihre Gedanken zu werfen, sah aber davon ab. Ein solches Eindringen wäre unverzeihlich gewesen.
»Die meisten Clanmitglieder treffen sich in ihren verschiedenen Häusern, aber wir, eine auserwählte Gruppe, werden nun den zweiten Teil der Zeremonie im Haus des Clanführers feiern. Geleitet wird diese Feier von den beiden engsten Verwandten von Jadwiga; wir feiern das Leben und seine Freuden: Musik, Tanz, Kunst und …«
In diesem Moment wurde der Kutschenschlag geöffnet, und ein Vampir, den Angelica noch nie gesehen hatte, half ihnen aus der Droschke. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie angekommen waren. Angelica wollte Margaret fragen, was sie gemeint hatte, aber dafür war es nun offensichtlich zu spät. Die drei betraten, gedrängt von dem unbekannten Vampir, die herzogliche Residenz.
»Joanna?«, zischte Angelica, während sie einer Gruppe von Vampiren folgten, die sie ebenfalls noch nie gesehen hatte. Sie betraten den großen Empfangssaal. Sogleich blickte sie sich nach James, Kiril und Alexander um, die sicher auch da sein mussten.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Joanna leise.
Angelica hätte darauf die eine oder andere
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