01 - Wie Feuer im Blut
Fenster. »Ich werde Braithwaite für
eine Zeit verlassen.«
»Hat
man dich nach London gerufen?«
»Ich
reise nicht nach London.«
Einen
Moment herrschte Schweigen. Endlich sagte Richard. »Darf ich dich fragen,
warum du wegfährst?«
Damien schloss
die Augen. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich es selbst weiß.«
»Ruhelosigkeit?«
»Ja.«
Richard
goss sich ein Glas Port ein. »Was soll ich mit Bonnie anfangen, während du weg
bist?«
»Du
suchst für sie die geeignetsten Lehrkräfte in Yorkshire aus. Ich möchte, dass
sie die beste Erziehung bekommt.« »Ich verstehe.«
»Es ist
das mindeste, was ich für sie tun kann.«
»Möchtest
du sie auch neu ausstaffieren?«
»Für
diese Aufgabe habe ich schon jemanden ausgesucht.«
»Und
wenn sie sich weigert? Ich muss dich doch nicht daran erinnern, dass sie nicht
gerade gern in Braithwaite ist. Wir können sie hier nicht festhalten, wenn sie
fort möchte.«
Damien
verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: »Das lässt sich ändern.«
Richard
trat vor Damien hin. »Was hast du vor? Du kannst das Mädchen nicht gegen seinen
Willen hier festhalten. Gütiger Gott, du willst doch nicht die Vormundschaft
für sie übernehmen?«
»Du
wirst die nötigen Schritte einleiten. Wenn du ihm Bonnies Situation erklärst,
wird mich das Gericht als Vormund einsetzen. Aber erzähl Bonnie möglichst
nichts davon, bis ich wieder da bin.«
»Es
wird ihr nicht gefallen, Damien.«
»Vermutlich
nicht.« Damien begegnete dem fragenden Blick seines Onkels. Erst jetzt fiel
Richard einiges auf, und er rief erschrocken: »Mir scheint, Smythes
Anschuldigung war eine Art Prophezeiung!«
»Kaum«,
gab Damien schroff zurück. »Ich möchte meinen, dass ich über eine
Vergewaltigung erhaben bin.«
Richard
durchquerte den Raum, schlug mit der Faust auf den Schreibtisch und schnaubte:
»Du Idiot.«
Damien
ging zum Wandschrank mit den Gläsern und goss sich einen Whisky ein.
»War
sie noch Jungfrau? Hast du denn kein Gewissen, Damien? Nimmst du keine
Rücksicht auf andere? Hast du die Moral vergessen, die du einmal besessen
hast?«
Damien
sah seinen Onkel lange an, bevor er sein Glas mit einem Schluck leerte und zum
zweiten Mal füllte. »Offensichtlich besitze ich keine Moral.«
»Du
bist um keinen Deut anders als dein Vater und dein Halbbruder.«
»Vorsicht«,
fauchte Damien, »bevor sie Ihre Grenzen überschreiten, Sir.«
»Hat
dir eine Frau in deinem Bett nicht genügt? Du benützt Marianne, als wäre sie
eine ... «
»Nicht
mehr, als sie mich benützt.«
»Auch
wenn du dieser Frau überdrüssig bist, hättest du das Kind in Ruhe lassen
müssen. Deine unersättliche Lust ... «
»Lust
hat nichts mit dem zu tun, was zwischen mir und dem Mädchen passiert ist.«
Dieses Eingeständnis erschütterte Damien selbst.
Richards
Brauen hoben sich überrascht. »Nein? Wie nennst du es dann?«
Damiens
Mund wurde zu einem Strich und seine Hand spannte sich um sein Whiskyglas. »Ich
bin bereit, ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen«, erklärte er beherrscht.
»Ich
glaube, dass dich der Verlust ihrer Unschuld noch teuer zu stehen kommt. Nicht
nur an Geld, sondern auch an Reputation.«
Damien
lachte und hob das Glas an die Lippen. »Reputation.« Er trank den Whisky aus
und stellte sich dann vor seinen Onkel. »Wenn ich mich recht entsinne, war
meine Reputation, dank Louisa, stark angekratzt. Und dass ich dann nach
Amerika flüchtete und nur zurückkomme, um für die Unterstützung der Südstaaten
zu bitten in einem Krieg, an dem England nicht teilnehmen möchte, hat mich
nicht beliebter gemacht.«
»Aber was
wird aus Bonnie? Sie ist jung. Sie wird bestimmt eines Tages heiraten wollen
... «
»...
mit einer Mitgift, die ihre verlorene Unschuld zu einer geringfügigen
Nebensache oder sogar zu einer Nichtigkeit machen wird.«
»Aha.
Deswegen willst du ihr also Bildung und Manieren beibringen. Du wirst sie an den
erstbesten Blutsauger verkuppeln, der um ihre Hand anhält.« Richard schlug
Damien heftig mit einer Hand auf die Schulter. »Ich gratuliere dir, mein Junge.
Ich bin sicher, Miles wird begeistert sein, dass du dich auf sein Niveau
begeben hast.«
»Geh
zum Teufel«, sagte Damien leise.
Richard
blickte ihn überrascht und dann ein wenig traurig an. Die anbrechende
Morgendämmerung warf ein fahles graues Licht auf ihre Gesichter, und Richard
fragte in einem leidenschaftsloseren Ton: »Wirst du sie noch
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