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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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antwortete:
    „Ja; ich – – – habe sogar – – – mehrere Wünsche.“
    Wie froh war ich, als ich meine Stimme hörte. Sie klang mir freilich fremd; die Worte kamen gepreßt und pfeifend heraus; sie verursachten mir im hinteren Mund Schmerzen; aber es waren doch eben wieder Worte, nachdem ich drei Wochen lang zu keiner Silbe fähig gewesen war.
    „Sprich leise, oder nur durch Zeichen“, sagte sie. „Nscho-tschi hört, daß dich das Reden schmerzt.“
    „Nscho-tschi ist dein Name?“ fragte ich.
    „Ja.“
    „So danke dem, der ihn dir gegeben hat. Du konntest keinen passenderen bekommen, denn du bist wie ein schöner Frühlingstag, an welchem die ersten Blumen des Jahres zu duften beginnen.“
    Nscho-tschi heißt nämlich ‚schöner Tag’. Sie errötete leicht und erinnerte mich:
    „Du wolltest mir deine Wünsche sagen.“
    „Sag mir vorher, ob du vielleicht meinetwegen hier bist.“
    „Ja, denn ich habe den Befehl erhalten, dich zu pflegen.“
    „Von wem?“
    „Von Winnetou, der mein Bruder ist.“
    „Ich dachte es mir, denn du siehst diesem jungen, tapferen Krieger außerordentlich ähnlich.“
    „Du hast ihn töten wollen!“
    Das klang halb wie eine Behauptung und halb wie eine Frage. Sie blickte mir dabei so forschend in die Augen, als ob sie mein ganzes Innere ergründen wolle.
    „Nein“, entgegnete ich.
    „Er glaubt das nicht und hält dich für seinen Feind. Du hast ihn, den noch keiner überwinden konnte, zweimal zu Boden geschlagen!“
    „Einmal, um ihn zu retten, und das andere Mal, weil er mich töten wollte. Ich habe ihn lieb gehabt, gleich als ich ihn zum zweitenmal sah.“
    Wieder ruhte ihr dunkles Auge längere Zeit auf meinem Angesicht; dann sagte sie:
    „Er glaubt euch nicht, und ich bin seine Schwester. Hast du Schmerzen im Munde?“
    „Jetzt nicht.“
    „Wirst du schlingen können?“
    „Ich möchte es versuchen. Darfst du mir Wasser zum Trinken geben?“
    „Ja, und auch zum Waschen; ich werde dir welches holen.“
    Sie ging mit der Alten fort. Was war das? Wie sollte ich es mir deuten? Winnetou hielt uns für seine Feinde, schenkte unsern Beteuerungen vom Gegenteile keinen Glauben und hatte mich doch der Pflege seiner eigenen Schwester übergeben! Der Grund dazu wurde mir vielleicht später klar.
    Nach einiger Zeit kamen die beiden Squaws zurück. Die jüngere hatte ein tassenähnliches Gefäß aus braunem Ton in der Hand, wie die Puebloindianer sie zu fertigen pflegen. Es war mit kühlem Wasser gefüllt. Sie hielt mich für noch zu schwach, ohne Hilfe zu trinken, und gab es mir deshalb an den Mund. Das Schlingen wurde mir schwer, sehr schwer und machte mir große Schmerzen; aber es ging, es mußte gehen; ich trank in kleinen Schlucken und großen Pausen, so lange, bis das Gefäß leer war.
    Wie erquickte mich das! Nscho-tschi mochte mir das ansehen, denn sie sagte:
    „Das hat dir wohlgetan. Ich werde dir später noch etwas anderes bringen. Du mußt viel Durst und Hunger haben. Willst du dich waschen?“
    „Ob ich es können werde?“
    „Versuche es!“
    Die Alte hatte eine ausgehöhlte Kürbishälfte voll Wasser gebracht. Nscho-tschi setzte es mir neben das Lager und gab mir ein handtuchähnliches Geflecht aus feinem, weichem Bast. Ich versuchte es, aber es ging nicht; ich war noch zu schwach. Da tauchte sie einen Zipfel des Geflechtes in das Wasser und begann, mir das Gesicht und die Hände zu reinigen, sie, dem vermeintlichem Todfeinde ihres Bruders und Vaters. Als sie fertig war, fragte sie mich mit einem leisen, aber sichtbar mitleidigen Lächeln:
    „Bist du stets so hager gewesen wie jetzt?“
    Hager? Ach, daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Drei lange Fieberwochen und dabei den Wundstarrkrampf, welcher fast stets tödlich zu verlaufen pflegt! Dazu keinen Bissen gegessen und keinen Tropfen getrunken! Das konnte natürlich nicht ohne Wirkung geblieben sein. Ich befühlte meine Wangen und antwortete dann:
    „Ich bin nie hager gewesen.“
    „So sieh einmal dein Bild im Wasser hier!“
    Ich schaute in den Kürbis und fuhr erschrocken zurück, denn es blickte mir aus dem Wasser der Kopf eines Gespenstes, eines Skeletts entgegen.
    „Welch ein Wunder, daß ich noch lebe!“ rief ich aus.
    „Ja, Winnetou sagte das auch. Du hast sogar den langen Ritt hierher überstanden. Der große, gute Geist hat dir einen außerordentlich starken Körper gegeben, denn ein anderer hätte es nicht fünf Tage unterwegs ausgehalten.“
    „Fünf Tage? Wo befinden wir

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