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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schwerer als das Trinken; ich konnte die Schmerzen kaum aushalten und hätte bei jedem Löffel laut aufschreien mögen; aber die Natur verlangte Speise, und wenn ich nicht verhungern wollte, so mußte ich etwas genießen. Darum gab ich mir Mühe, von der Qual, welche ich hatte, nichts merken zu lassen, konnte aber nicht verhindern, daß mir das Wasser dabei aus den Augen lief. Nscho-tschi bemerkte dies gar wohl und sagte, als ich den letzten Löffel voll glücklich überwunden hatte:
    „Du bist zum Umfallen schwach, aber dennoch ein starker Mann, ein Held. Wärest du doch als Apache und nicht als lügenhaftes Bleichgesicht geboren!“
    „Ich lüge nicht; ich lüge nie; das wirst du schon noch einsehen!“
    „Ich möchte es dir sehr gern glauben; aber es gab nur ein einziges Bleichgesicht, welches die Wahrheit redete; das war Klekih-petra, den wir allen liebten. Er war mißgestaltet, hatte aber einen hellen Geist und ein gutes, schönes Herz. Ihr habt ihn ermordet, ohne daß er euch beleidigte; dafür werdet ihr sterben müssen und mit ihm begraben werden.“
    „Wie? Er ist noch nicht begraben?“
    „Nein.“
    „Aber seine Leiche kann doch unmöglich so lange gehalten haben!“
    „Er liegt in einem festen Sarg, durch welchen keine Luft zu dringen vermag. Du wirst diesen Sarg kurz vor deinem Tod zu sehen bekommen.“
    Nach dieser tröstlichen Versicherung entfernte sie sich. Es ist doch für einen, der zu Tode gemartert werden soll, eine ungeheure Beruhigung, vorher den Sarg eines andern ansehen zu dürfen! Übrigens dachte ich jetzt noch gar nicht im Ernste an meinen Tod. Ich war im Gegenteil überzeugt, daß ich lebenbleiben würde; ich besaß ja ein unfehlbares Mittel, unsere Unschuld zu beweisen, nämlich die Haarlocke, welche ich Winnetou, als ich ihn befreite, abgeschnitten hatte.
    Aber besaß ich sie wirklich noch? Hatte man sie mir nicht abgenommen? Ich erschrak, als ich mir diese Frage stellte; ich hatte während der kurzen Augenblicke, in denen ich wach gewesen war, gar nicht daran gedacht, daß die Indianer ihre Gefangenen auszuplündern pflegen. Ich mußte also meine Taschen untersuchen.
    Ich trug noch meinen vollständigen Anzug, von welchem man mir kein Stück genommen hatte. Was das heißt, drei Wochen in einem solchen Anzug im Wundfieber zu liegen, das kann man sich wohl denken. Es gibt Verhältnisse, die man zwar durchmachen und erleben kann, niemals aber in einem Buche miterzählen darf. Der Leser eines solchen Buches beneidet wohl einen solchen weitgereisten, vielerfahrenen Mann, würde sich aber, wenn er die mit Schweigen übergangenen Nebendinge erführe, sehr hüten, in seine Fußstapfen zu treten. Wie oft bekomme ich Briefe von begeisterten Lesern meiner Werke, in denen sie mich benachrichtigen, daß sie ähnliche Reisen unternehmen wollen. Sie fragen mich nach den Kosten, nach der Ausrüstung, weniger aber auch nach den Kenntnissen, welche dazu gehören, und nach den Sprachen, die man vorher zu lernen hat. Diese abenteuerlichen Herren kuriere ich mit untrüglicher Sicherheit durch meine aufrichtigen Antworten, in denen ich den Vorhang von jenen verschwiegenen Dingen ziehe.
    Also, ich untersuchte meine Taschen und fand zu meinem freudigen Erstaunen, daß ich noch alles, alles besaß; man hatte mir nur die Waffen abgenommen. Ich zog die Sardinenbüchse hervor; meine Aufzeichnungen befanden sich noch drin und zwischen ihnen die Locke Winnetous. Ich steckte sie wieder ein und legte mich beruhigt nieder, um wieder einzuschlafen. Kaum war ich gegen Abend wieder aufgewacht, so erschien, ohne daß ich ein Zeichen gegeben hatte, Nscho-tschi und brachte mir wieder Essen und frisches Wasser. Ich aß diesmal ohne ihre Hilfe und legte ihr dabei verschiedene Fragen vor, welche sie je nach dem Inhalt derselben beantwortete oder nicht. Es waren ihr natürlich Verhaltensmaßregeln gegeben worden, nach denen sie sich streng zu richten hatte. Es gab da vieles, was ich nicht wissen durfte. Ich fragte sie auch, warum ich nicht ausgeplündert worden sei.
    „Winnetou, mein Bruder, hat es so befohlen“, antwortete sie.
    „Weißt du den Grund davon?“
    „Nein, ich habe nicht gefragt. Aber etwas anderes, Besseres kann ich dir sagen.“
    „Was?“
    „Ich war bei den drei Bleichgesichtern, die mit dir gefangen worden sind.“
    „Du selbst?“ fragte ich erfreut.
    „Ja. Ich wollte ihnen sagen, daß du dich besser fühlst und bald wieder gesund sein wirst. Da bat mich der, welcher Sam Hawkens heißt, dir

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