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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Adler um die Wette fliegen und fragte ihn, was er ihr geben würde, wenn sie ihn besiegte! Wenn du ebenso dumm schwimmst, wie du fragst, so schäme ich mich, daß ich dir keine alte Squaw zur Gegnerin gegeben habe!“
    Wir gingen fort, durch den Halbkreis, welcher sich uns öffnete, dem Ufer zu. Ich kam da ganz in der Nähe von Nscho-tschi vorüber und fing von ihr einen Blick auf, mit welchem sie für das Leben von mir Abschied nahm. Die Indianer folgten hinter uns und lagerten sich dann beliebig nieder, um das interessante Schauspiel, das sie erwarteten, bequem zu genießen.
    Es verstand sich ganz von selbst, daß ich mich in der äußersten Gefahr befand. Ich mochte grad, schief oder im Zickzack über den Fluß schwimmen, so war ich verloren; der Tomahawk des Häuptlings mußte mich treffen. Es gab nur einen Rettungsweg: durch das Tauchen, und da war ich glücklicherweise nicht der Stümper, für den mich Intschu tschuna gehalten hatte.
    Aber selbst auf das Tauchen allein durfte ich mich nicht verlassen. Ich mußte doch empor, um Atem zu holen, und bot dann meinen Kopf dem Tomahawk. Nein, ich durfte gar nicht wieder an die Oberfläche kommen, wenigstens vor den Augen der Roten nicht. Wie aber das anfangen? Ich musterte das Ufer auf- und abwärts und sah mit großer Befriedigung, daß die Örtlichkeit mir zur Hilfe kam.
    Wir befanden uns, wie schon gesagt, auf der vollständig freien Sandfläche, doch oberhalb der Mitte derselben. Ihr aufwärts liegendes Ende, wo der Wald wieder begann, war nur etwas über hundert Schritt von mir entfernt, und noch weiter oben machte der Fluß eine Biegung, die ihn meinem Auge entzog. Abwärts lag das Ende der Sandlichtung wohl vierhundert Schritt von mir entfernt.
    Wenn ich ins Wasser sprang und nicht wieder heraufkam, so glaubte man mich wohl ertrunken und suchte nach meinem Körper; dies geschah jedenfalls abwärts; folglich lag meine Rettung in der entgegengesetzten Richtung, also aufwärts. Da sah ich zunächst eine Stelle, an welcher der Fluß das Ufer unterspült hatte; es hing über und war vortrefflich geeignet, mir eine kurze Zuflucht zu bieten. Weiter oben war allerlei Holzwerk angespült worden und hing so fest, daß ich es recht gut zu demselben Zweck benutzen konnte. Vorher aber war es geraten, ein wenig ängstlich zu tun.
    Intschu tschuna entkleidete sich bis auf die leichte indianische Hose, steckte den Tomahawk in den Gürtel, nachdem er die andern in demselben befindlichen Gegenstände entfernt hatte, und sagte dann:
    „Es kann beginnen. Spring hinein!“
    „Darf ich nicht erst probieren, wie tief es ist?“ fragte ich verzagt.
    Es ging ein unendlich verächtliches Lächeln über sein Gesicht; er rief nach einer Lanze. Man brachte mir dieselbe, und ich stieß sie in das Wasser. Sie erreichte den Boden nicht. Das war mir unendlich lieb, ich tat aber womöglich noch niedergeschlagener als vorher, kauerte am Wasser nieder und wusch mir die Stirn, wie einer, welcher befürchtet, einen Schlaganfall zu bekommen, wenn er in das Wasser geht, ohne sich vorher abzukühlen. Es ließ sich hinter mir ein allgemeines Murren der Geringschätzung hören, ein sicheres Zeichen, daß ich meinen Zweck erreicht hatte, und die Stimme Sams rief:
    „Um Gottes willen, kommt lieber wieder her, Sir! Das kann ich nicht ansehen. Sie mögen uns totschinden. Das ist besser, als so ein Jammerbild vor Augen zu haben!“
    Es kam mir unwillkürlich der Gedanke, was Nscho-tschi von mir denken werde. Ich drehte mich um. Das Gesicht Tanguas war der ganze, fleischgewordene Hohn; Winnetou hatte die Oberlippe emporgezogen, so daß man seine Zähne sah; er war wütend darüber, mir jemals seine Teilnahme geschenkt zu haben. Und seine Schwester hielt die Augen niedergeschlagen; sie sah mich gar nicht mehr an.
    „Ich bin bereit“, herrschte Intschu tschuna mir zu. „Was zögerst du noch? Hinein mit dir!“
    „Muß es denn wirklich sein?“ fragte ich. „Geht es gar nicht anders?“
    Es erscholl ein brausendes Gelächter, über welches Tanguas Stimme tönte:
    „Gebt diesen Frosch frei! Schenkt ihm das Leben! An einen solchen Feigling darf kein Krieger seine Hand legen!“
    Und mit dem grimmigen Knurren eines erzürnten Tigers schrie mich Intschu tschuna an:
    „Hinein, sonst haue ich dir augenblicklich den Tomahawk ins Genick!“
    Da stellte ich mich sehr erschrocken, setzte mich an den Rand des Flusses, hielt erst die Füße und dann die Unterschenkel in das Wasser und tat so, als ob ich recht

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