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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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oder, richtiger gesagt, herübergeeilt. Ich durfte ihn nicht zu weit heranlassen und schoß wieder auf das jenseitige Ufer, das ich erklomm und wo ich dann stehenblieb.
    „Fort, weiter fort, Sir!“ schrie mir Sam zu. „Macht doch, daß Ihr an die Zeder kommt!“
    Ja, daran konnte mich niemand hindern; auch Intschu tschuna hätte nicht vermocht, es zu verhüten; aber ich wollte ihm eben die beabsichtigte Lehre geben und entfernte mich nicht eher, als bis er ungefähr noch vierzig Schritte von mir entfernt war. Dann rannte ich fort, auf den Baum zu. Hätte ich mich im Wasser befunden, so wäre ihm wohl der Angriff mit dem Tomahawk gelungen, so aber war ich überzeugt, daß er sich des Schlacht- und Wurfbeiles nicht eher bedienen könne, als bis er das Ufer erreicht haben werde.
    Der Baum war dreihundert Schritte von demselben entfernt. Als ich die Hälfte dieses Weges in schnellen Sprüngen zurückgelegt hatte, blieb ich wieder stehen und sah zurück. Eben stieg der Häuptling aus dem Wasser. Er ging in die Falle, welche ich ihm stellte. Einholen konnte er mich nicht mehr; höchstens sein Tomahawk konnte mich erreichen. Er riß ihn aus dem Gürtel und rannte vorwärts. Ich floh noch immer nicht; aber als er mir gefährlich nahe gekommen war, wendete ich mich wieder zur Flucht, doch nur scheinbar. Ich sagte mir folgendes: Solange ich ruhig stand, warf er das Beil sicherlich nicht, denn ich sah es kommen und konnte ihm ausweichen, während er, wenn er es behielt, mich einholen und niederschlagen konnte. Daß er werfen würde, war nur dann anzunehmen, wenn ich floh und ihm dabei den Rücken zukehrte, so daß ich die heranschwirrende Waffe nicht sah. Ich ergriff also zum Schein die Flucht, tat aber höchstens zwanzig Sprünge und blieb dann, mich schnell umwendend, wieder stehen.
    Richtig! Er hatte, um einen sicheren Wurf zu haben, im Lauf angehalten und das Beil um den Kopf geschwungen. Eben, als ich ihn wieder in das Auge faßte, schleuderte er es mir nach. Ich tat zwei, drei rasche Sprünge zur Seite – es flog an mir vorüber und grub sich dann im Sand ein.
    Das hatte ich gewollt. Ich rannte hin, hob es auf und ging nun, anstatt nach dem Baum zu eilen, dem Häuptling ruhigen Schrittes entgegen. Er schrie vor Grimm auf und kam wie ein Wütender auf mich zugesprungen. Da schwang ich den Tomahawk und rief ihm drohend entgegen:
    „Halt, Intschu tschuna! Du hast dich in Old Shatterhand abermals getäuscht. Willst du dein eigenes Beil in den Kopf haben?“
    Er hielt im Laufen inne und schrie:
    „Hund, wie bist du mir im Wasser entkommen? Der böse Geist hat dir abermals geholfen!“
    „Glaub dies nicht! Wenn hier von einem Geist gesprochen werden muß, so ist es der gute Manitou, der mir beigestanden hat.“
    Ich sah bei diesen Worten, daß seine Augen, wie unter einem heimlichen Entschluß leuchtend, auf mich gerichtet waren, und fuhr, ihn warnend, fort:
    „Du willst mich überraschen, mich angreifen; ich sehe es dir an. Tu dies ja nicht, denn es würde dein Tod sein! Dir soll nichts geschehen, denn ich habe dich und Winnetou wirklich lieb; aber wenn du dich heranwagst, muß ich mich wehren. Du weißt, daß ich dir selbst ohne Waffe überlegen bin, und ich habe doch den Tomahawk. Also sei klug und – – –“
    Ich konnte nicht weitersprechen. Der ihn beherrschende Grimm raubte ihm die ruhige Überlegung. Die Hände wie geöffnete Krallen nach mir ausstreckend, warf er sich mir entgegen. Schon glaubte er, mich zu haben, da glitt ich, mich schnell bückend, zur Seite, und die Gewalt des Stoßes, mit welchem er mich hatte zu Boden bringen wollen, warf ihn selbst nieder. Sofort war ich bei ihm, setzte ihm das linke Knie auf den einen, das rechte auf den anderen Arm, faßte ihn mit der linken Hand beim Hals, schwang den Tomahawk und rief:
    „Intschu tschuna, bittest du um Gnade?“
    „Nein.“
    „So spalte ich dir den Kopf.“
    „Töte mich, Hund!“ keuchte er unter dem vergeblichen Versuch, loszukommen.
    „Nein, du bist der Vater Winnetous und sollst leben, aber unschädlich machen muß ich dich einstweilen. Du zwingst mich dazu.“
    Ich schlug ihm die flache Seite des Tomahawk gegen den Kopf – ein röchelnder Hauch; seine Glieder zuckten krampfhaft und streckten sich dann lang aus. Das hatte drüben, wo die Roten standen, das Aussehen, als ob ich ihn erschlüge. Es erscholl ein noch viel entsetzlicheres Geheul als das, welches ich vorhin gehört hatte. Ich band ihm mit dem Gürtel die Arme fest an den

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