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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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betrachtet, sofort mit der Faust zu antworten?“
    „Ja, wir wunderten uns später, daß du dies nicht getan hast.“
    „Der Vater meines Winnetou konnte mich nicht beleidigen. Ich wischte den Speichel ab; dann war es vergeben und vergessen. Sprechen wir nicht mehr davon!“
    „Und doch muß ich davon sprechen; das bin ich dir, meinem Bruder, schuldig.“
    „Warum?“
    „Du mußt die Sitten unseres Volkes erst noch kennenlernen. Kein Krieger gesteht gern einen Fehler ein, und ein Häuptling darf dies noch viel weniger tun. Intschu tschuna weiß, daß er unrecht gehabt hat, aber er darf dich nicht um Verzeihung bitten. Darum hat er mich beauftragt, mit dir zu sprechen. Winnetou bittet dich an Stelle seines Vaters.“
    „Das ist gar nicht nötig; wir sind quitt, denn auch ich habe euch beleidigt.“
    „Nein.“
    „Doch! Ist nicht ein Faustschlag eine Beleidigung? Und ich habe euch doch mit der Faust geschlagen.“
    „Das war im Kampf, wo es nicht als Beleidigung gilt. Mein Bruder ist edel und großmütig; wir werden es ihm nicht vergessen.“
    „Reden wir von anderen Dingen! Ich bin heut Apache geworden. Wie steht es mit meinen Kameraden?“
    „Die können nicht in den Stamm aufgenommen werden, aber sie sind unsere Brüder!“
    „Ohne Zeremonie?“
    „Wir werden morgen mit ihnen die Pfeife des Friedens rauchen. In der Heimat meines weißen Bruders gibt es wohl kein Calumet?“
    „Nein. Christen sind Brüder, ohne daß es der Ausübung irgendeines Gebrauches bedarf.“
    „Alle Brüder? Gibt es keinen Krieg zwischen ihnen?“
    „Allerdings auch.“
    „So sind sie auch nicht anders und besser als wir. Sie lehren die Liebe und fühlen sie nicht. Warum hat mein Bruder sein Vaterland verlassen?“
    Es ist bei den Roten nicht Sitte, solche Fragen auszusprechen. Winnetou konnte es aber tun, weil er jetzt mein Bruder war, der mich kennenlernen mußte. Doch wurde seine Frage nicht nur aus teilnehmender Neugierde ausgesprochen; er hatte noch einen andern Grund dabei.
    „Um hier hüben das Glück zu suchen“, antwortete ich.
    „Das Glück! Was ist Glück?“
    „Reichtum!“
    Er ließ, als ich dies sagte, meine Hand los, die er bis jetzt festgehalten hatte, und es trat wieder eine Pause ein. Ich wußte, er hatte jetzt das Gefühl, sich doch in mir getäuscht zu haben.
    „Reichtum!“ flüsterte er dann.
    „Ja, Reichtum“, wiederholte ich.
    „Also darum – darum – darum!“
    „Was?“
    „Darum haben wir dich bei – bei – – –“
    Es tat ihm doch weh, das Wort aussprechen zu sollen. Ich vollendete es:
    „Bei den Länderdieben gesehen?“
    „Du sagst es. Du tatest es also, um reich zu werden. Meinst du denn wirklich, daß Reichtum glücklich macht?“
    „Ja.“
    „Da irrst du dich. Das Gold hat die roten Männer nur unglücklich gemacht; des Goldes wegen drängen uns noch heut die Weißen von Land zu Land, von Ort zu Ort, so daß wir langsam aber sicher untergehen werden. Das Gold ist die Ursache unsers Todes. Mein Bruder mag ja nicht danach trachten.“
    „Das tu ich auch nicht.“
    „Nicht? Und doch sagtest du, daß du das Glück im Reichtum suchst.“
    „Ja, das ist wahr. Aber es gibt Reichtum verschiedener Art, Reichtum an Gold, an Weisheit und Erfahrung, an Gesundheit, an Ehre und Ruhm, an Gnade bei Gott und den Menschen.“
    „Uff, uff! So meinst du es! Welcher Reichtum ist es denn, nach welchem du da trachtest?“
    „Der letztere.“
    „Gnade bei Gott! So bist du wohl ein sehr frommer, ein sehr gläubiger Christ?“
    „Ob ich ein guter Christ bin, das weiß ich nicht, das weiß nur Gott; aber ich möchte es gern sein.“
    „So hältst du uns für Heiden?“
    „Nein. Ihr glaubt an den großen, guten Geist und betet keine Götzen an.“
    „So erfülle mir eine Bitte!“
    „Gern! Welche?“
    „Sprich nicht vom Glauben zu mir! Trachte nicht danach, mich zu bekehren! Ich habe dich sehr, sehr lieb und möchte nicht, daß unser Bund zerrissen werde. Es ist so, wie Klekih-petra sagte. Dein Glaube mag der richtige sein, aber wir roten Männer können ihn noch nicht verstehen. Wenn uns die Christen nicht verdrängten und ausrotteten, so würden wir sie für gute Menschen halten und auch ihre Lehre für eine gute. Dann fänden wir wohl auch Zeit und Raum, das zu lernen, was man wissen muß, um euer heiliges Buch und eure Priester zu verstehen. Aber der, welcher langsam und sicher zu Tode gedrückt wird, kann nicht glauben, daß die Religion dessen, der ihn tötet, eine Religion der

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