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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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durch die Schlucht. Hier konnte ich mich noch beeilen, weil wegen des Steingerölles ein zeitraubendes Suchen nach der Spur doch erfolglos gewesen wäre. Als ich aber unten das Tal erreichte, hielt ich an, um die Fährte sorgfältig zu lesen. Es gelang mir nicht sofort, denn der Boden war hier noch zu hart. Zehn Minuten später gab es weichen Grund, wo es leichter war, die Eindrücke der Füße und Hufe zu erkennen.
    Da sah ich mich denn vollständig enttäuscht. Ich konnte suchen und forschen, wie ich wollte, und meine Augen und meinen Scharfsinn noch so sehr anstrengen, es wurde nicht anders – Santer war hier nicht geritten. Er mußte weiter oben an einer dazu passenden Stelle, wo auf dem Fels keine Spur zurückblieb, die Schlucht verlassen haben; anders war es gar nicht möglich. Da stand ich nun! Was war zu tun? Sollte ich zurück, um nach der betreffenden Stelle zu suchen? Es konnten Stunden vergehen, ehe ich sie fand, und einen solchen Zeitverlust glaubte ich denn doch nicht verantworten zu können. Besser war es auf alle Fälle, nach unserm Lager zu eilen und dort Hilfe zu holen.
    Dies tat ich denn. Es war ein Dauerlauf, wie ich noch keinen gemacht hatte, doch hielt ich ihn aus, weil ich von Winnetou belehrt worden war, wie man sich dabei zu verhalten hat, um bei Atem zu bleiben und nicht zu ermüden. Man läßt nämlich das Körpergewicht nur von einem Bein tragen und wechselt dann, wenn dieses ermüdet ist, auf das andere über. Auf diese Weise kann man stundenlang Trab laufen, ohne daß man sich allzusehr anzustrengen hat; aber eine gute, gesunde Lunge muß man haben.
    Als ich meinem Ziel nahe gekommen war, wendete ich mich zunächst nach Santers Lager. Die drei Pferde standen noch im Gesträuch. Ich band sie los, bestieg eins, nahm die andern beiden an den Zügeln und ritt nach unserm Lager. Es war längst Mittag vorüber, und Sam rief mir zu:
    „Wo treibt Ihr Euch denn herum, Sir! Habt das Essen versäumt, und ich –“ er stockte in der Rede, musterte die Pferde mit einem erstaunten Blick und fuhr dann fort: „Alle Wetter! Ihr seid zu Fuß fortgegangen und kommt beritten zurück! Seid wohl gar Pferdedieb geworden?“
    „Das weniger. Habe diese Tiere erbeutet.“
    „Wo?“
    „Gar nicht weit von hier.“
    „Von wem?“
    „Seht sie nur richtig an! Ich erkannte sie sofort, und Ihr habt doch auch gute Augen.“
    „Ja, die habe ich. Sah sogleich, wem sie gehören, wollte es aber nicht begreifen. Das sind ja die Pferde von Santer und seinen Begleitern; es fehlt aber eins.“
    „Das werden wir uns suchen und auch den, der darauf sitzt.“
    „Aber wie kommt – – –“
    „Still, lieber Sam!“ unterbrach ich ihn. „Es ist sehr Wichtiges, sehr Trauriges geschehen. Wir müssen sofort fort von hier.“
    „Von hier? Warum?“
    Anstatt ihm zu antworten, rief ich die Apachen, von denen sich einige entfernt hatten, zusammen und teilte ihnen die Kunde von dem Tod Intschu tschunas und seiner Tochter mit. Nach meinem letzten Wort herrschte ein tiefes, allgemeines Schweigen ringsum. Man konnte nicht glauben, was ich sagte; meine Botschaft war zu ungeheuerlich. Da erzählte ich ausführlicher, was geschehen war, und fügte hinzu:
    „Nun mögen mir meine roten Brüder sagen, wer die Zukunft besser verkündet hat, Sam Hawkens oder euer Medizinmann! Intschu tschuna und Nscho-tschi haben den Tod gefunden, weil sie sich von mir entfernten, und Winnetou ist durch mich gerettet worden. Bringt meine Nähe also den Tod oder das Leben?“
    Jetzt konnten sie nicht mehr zweifeln, und es erhob sich ein Geheul, welches sicher meilenweit zu hören war, selbstverständlich englische Meilen gemeint. Die Roten rannten wie wütend umher, schwangen ihre Waffen und schnitten, um ihrem Grimm Ausdruck zu geben, die fürchterlichsten Gesichter. Erst nach einiger Zeit war es meiner Stimme möglich, ihr Geschrei zu überschallen.
    „Die Krieger der Apachen mögen schweigen“, gebot ich ihnen. „Das Geheul führt zu nichts. Wir müssen fort, um den Mörder zu fangen.“
    „Fort, ja fort, fort, fort!“ schrieen sie, indem sie zu ihren Pferden sprangen.
    „Ruhig doch!“ befahl ich abermals. „Meine Brüder wissen ja gar nicht, was sie tun sollen. Ich werde es ihnen sagen.“
    Nun drängten sie sich so an mich, daß ich mich wehren mußte, nicht umgerissen zu werden. Wäre Santer jetzt hier gewesen, so hätten sie ihn in Stücke gerissen. Hawkens, Stone und Parker standen still beisammen. Die Nachricht hatte einen

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