01 - Winnetou I
wenn er den Schüler so weit bringt, daß dieser schließlich klüger und geschickter als der Lehrer ist. Mit dir freilich muß man auf solche Erfolge gleich von vornherein verzichten. Wie viele, viele Jahre habe ich mich bemüht, einen Westmann aus dir zu machen, und es ist alles vergeblich gewesen. Du wirst in deinen alten Tagen nichts verlernen können, weil du in den jungen Tagen nichts gelernt hast.“
„Weiß schon! Möchtest mich gern ein Greenhorn nennen, weil du ohne dieses Wort nicht leben kannst und unserem Old Shatterhand nicht mehr damit kommen darfst.“
„Bist auch eins, und was für eins! Nämlich ein altes, welches sich vor diesem jungen hier zu schämen hat, weil dieses dem alten schon weit überlegen ist, wenn ich mich nicht irre.“
Trotz dieses Wortgefechtes stimmten wir darin überein, daß die Fährte Santers nicht viel über zwei Stunden alt war. Wir wären ihr gern sogleich gefolgt, mußten aber auf die zehn Apachen warten. Das dauerte leider drei Viertelstunden. Ich schickte einen von ihnen zu Winnetou, um diesen wissen zu lassen, daß wir die Spur gefunden hätten; er konnte bei ihm bleiben; dann ritten wir, nun in östlicher Richtung, weiter.
Wir hatten in dieser vorgerückten Jahreszeit nicht mehr ganz zwei Stunden bis zum Abend und mußten uns sehr beeilen. Es galt, bis zur Dunkelheit eine möglichst große Strecke zurückzulegen, weil wir dann bis zum Morgen warten mußten. Wir konnten doch nicht reiten, ohne die Spur zu sehen.
Dagegen war als ganz gewiß anzusehen, daß Santer den Abend und wohl auch die Nacht dazu benützen werde, uns recht weit vorauszukommen, denn daß man ihn verfolgen werde, das mußte er sich doch unbedingt sagen. Wir hatten dann morgen einen heißen Ritt vor uns, welcher dadurch erschwert und verlangsamt wurde, daß wir auf die Fährte achten mußten, während er eine solche Verzögerung nicht nötig hatte. Glücklicherweise mußte er, wenn er während der Nacht ritt, dann früh ermüdet sein und nicht nur sich, sondern noch viel mehr seinem Pferd eine längere und ausgiebige Ruhe gönnen, ein Umstand, welcher den Unterschied so ziemlich ausglich.
Die von Winnetou und seinem Vater Nuggetberge genannten Höhen verschwanden schnell hinter uns, und wir hatten nun immerfort die ebene Prärie vor uns, welche erst strauchig war und dann nur Rasen, erst noch grünen und später verdorrten, zeigte. Die Spur war sehr deutlich zu sehen, denn Santer war meist scharf geritten, und so hatten die Hufe seines Pferdes deutliche Eindrücke hinterlassen.
Als es zu dunkeln begann, stiegen wir ab und folgten der Spur, die wir im Gehen deutlicher als reitend sahen, noch so lange, bis sie gar nicht mehr zu erkennen war. Da blieben wir halten, glücklicherweise an einer Stelle, wo das Gras wieder einmal einiges Grün zeigte. Da konnten die Pferde fressen. Wir hüllten uns in Decken und legten uns gleich so nieder, wie wir standen.
Die Nacht war sehr kühl, und ich bemerkte, daß meine Begleiter deshalb oft aufwachten. Ich hätte ohnedem nicht schlafen können. Der gewaltsame Tod Intschu tschunas und seiner Tochter hielt mir die Augen offen, und wenn ich sie ja einmal schloß, so sah ich ihre Gestalten in der Blutlache vor mir liegen und hörte Nscho-tschis letzte Worte. Nun machte ich mir Vorwürfe darüber, daß ich nicht freundlicher mit ihr gewesen war und mich in jenem Gespräch mit ihrem Vater nicht anders ausgedrückt hatte. Es war mir, als ob ich sie dadurch in den Tod getrieben hätte. Gegen Morgen wurde es noch kälter, und ich stand auf, um mich durch Hinundhergehen zu erwärmen. Sam Hawkens merkte das und fragte:
„Friert Euch wohl, verehrter Sir? Hättet eine Wärmflasche mit nach dem Westen bringen sollen. Greenhorns pflegen sich doch gern mit solchen Sachlichen zu versehen. Da lobe ich mir meinen alten Rock; kann kein Indianerpfeil und auch keine Kälte hindurch. Soll ich ihn Euch borgen, hihihihi?“
Wegen dieser unangenehmen Kühle waren alle schon vor der Morgendämmerung munter, und kaum konnten wir die Fährte nur einigermaßen wieder erkennen, so saßen wir auf und setzten den Ritt fort. Unsere Pferde hatten ausgeruht und des Nachts wohl auch gefroren; sie griffen daher, weil sie das erwärmte, wacker aus, ohne daß wir sie anzutreiben brauchten.
Noch immer hatten wir Prärie; sie wurde wellig. Auf den Wellenhöhen war das Gras trocken und hart, in den Wellentälern mehr grün und auch weicher. Ja, es gab da zuweilen eine Wasserlache, wo wir anhielten
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