01 - Winnetou I
Rede:
„Weil sie so oft von ihnen betrogen worden sind. Das meint Ihr wohl. Ich gebe dies zu.“
„Freut mich ungemein, aus Euerm eigenen Mund zu hören, daß ihr Agenten Spitzbuben seid!“ lachte er. „Grad die Kiowas sind bei den letzten Lieferungen großartig übers Ohr gehauen worden. Wenn Ihr die Absicht habt, ein wenig zu Tode gemartert zu werden, so reitet hin; es wird Euch sofort geholfen werden.“
„Kann darauf verzichten, Sir. Ich sage Euch, daß die Kiowas mich zwar nicht gut empfangen, dann aber um so größere Freude haben werden, wenn ich ihnen sage, was ich bei ihnen will. Ich habe es nämlich durchgesetzt, daß der Fehler, welcher gemacht worden ist, ausgebessert wird. Sie werden nachgeliefert bekommen, und ich will ihnen eben sagen, wo sie die Waren in Empfang nehmen sollen.“
„Alle Wetter, was seid Ihr da für ein weißer Rabe!“ rief er erstaunt aus. „In diesem Fall werden sie Euch freilich nichts tun. Aber warum habt Ihr da einen Roten bei Euch?“
„Weil ich den Dialekt der Kiowas nicht verstehe; er ist mein Dolmetscher, ein Pawnee, den Tangua auch kennt.“
„Well! Dann ist ja alles in bester Ordnung, und meine Warnung war überflüssig. Aber ich hatte guten Grund dazu, denn Tangua ist förmlich wütend auf alles, was nicht Kiowa heißt.“
„Warum?“
„Hat in letzter Zeit verdammt schlechte Erfahrungen gemacht. Die Apachen sind in sein Gebiet eingefallen und haben ihm mehrere hundert Stück Pferde gestohlen. Er hat sie natürlich verfolgt; aber weil sie drei- oder viermal mehr Krieger hatten als er, ist er geschlagen worden. Dies wäre trotz ihrer Übermacht nicht geschehen, wenn nicht eine Gesellschaft von weißen Westmännern den Apachen geholfen hätte. Einer von diesen Leuten hat den Häuptling zum Krüppel geschossen. Heißt Old Shatterhand, dieser Mann, ein Kerl, der den stärksten Menschen mit der Faust zu Boden schlägt. Wird ihm aber nicht gut bekommen.“
„Nicht? Wollen sich die Roten rächen?“
„Natürlich. Tangua ist durch beide Knie geschossen worden, ein fürchterliches Schicksal für einen Kriegshäuptling! Er schäumt förmlich vor Wut und wird nicht eher ruhen, als bis er diesen Old Shatterhand und Winnetou in seine Hände bekommen hat.“
„Winnetou? Wer ist das?“
„Ein junger Apachenhäuptling, der mit einer kleinen Kriegerschar ungefähr zwei Tagesritte von hier gelagert hat. Die Weißen sind bei ihm, und eine Anzahl Kiowas ritten hin, um diese Kerls in ihr Dorf zu locken.“
„Hm! Werden diese Weißen und diese Apachen so dumm sein, in die Falle zu gehen?“
„Wahrscheinlich. Tangua ist überzeugt davon und hat die Gegend, durch welche sie kommen müssen, besetzen lassen. Diese Leute sind unbedingt verloren. Mich geht das eigentlich gar nichts an, aber weil Weiße dabei sind, habe ich mich aus dem Staub gemacht. Ich wäre wohl noch einige Tage bei Tangua geblieben, aber zuzusehen, wie Weiße zu Tode gemartert werden, das ist mein Gusto nicht.“
„Wäre es Euch denn nicht möglich gewesen, ihnen Hilfe zu bringen?“
„Nein, selbst dann nicht, wenn ich gewollt hätte. Aber warum soll ich meine gesunden Hände, die ich brauche, in fremde Feuer stecken und sie mir verbrennen! Ich bin, sozusagen, Geschäftsfreund der Kiowas, und es fällt mir nicht ein, mir dadurch bei ihnen zu schaden, daß ich mich ihrer Feinde annehme. Ich bin so gutherzig gewesen, einen kleinen Versuch zu riskieren, habe aber schleunigst davon ablassen müssen, denn Tangua bellte mich an wie ein wütender Kettenhund.“
„Das läßt sich denken, denn es war ja noch gar nicht die Zeit dazu, sich der Gefangenen anzunehmen, weil sie eben noch nicht gefangen waren. Ihr hättet warten sollen.“
„O, einer war doch schon gefangen, ein Weißer von den Leuten Old Shatterhands. Ein sonderbarer Kerl, der immer nur lachte und gar nicht so tat, als ob er den Tod vor Augen habe.“
„Ihr habt ihn gesehen?“
„Ich sah ihn bringen und wohl eine Stunde lang gefesselt an der Erde liegen. Dann wurde er nach der Insel gebracht.“
„Nach einer Insel? Die also als Gefängnis dient?“
„Ja. Sie liegt im Salt Fork, einige Schritte vom Dorf und wird gut bewacht.“
„Habt Ihr mit dem Gefangenen gesprochen?“
„Einige Worte. Ich fragte ihn, ob ich vielleicht etwas für ihn tun könne. Da lachte er mich freundlich an und sagte, er hätte so großen Appetit nach Buttermilch, ob ich nicht nach Cincinnati reiten und ihm ein Glas voll holen wolle. Ein ganz närrischer
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