01 - Winnetou I
wurden auf die Seite geschafft, und da die verwundeten Kiowas Hilfe bei den Ihrigen fanden, so machten wir Weißen uns daran, die verletzten Apachen zu untersuchen und zu verbinden. Wir bekamen dabei freilich nicht nur die finsteren Gesichter zu sehen, sondern fanden sogar bei einigen Widerstand. Sie waren zu stolz, sich von ihren Gegnern einen Dienst erweisen zu lassen, und ließen lieber ihre Wunden bluten. Ich fühlte mich dadurch nicht beunruhigt, da die Verletzungen dieser Leute nur leicht waren.
Als wir diese Arbeit beendet hatten, fragten wir uns zunächst, wie die Gefangenen die Nacht hinbringen sollten. Ich wollte es ihnen so leicht wie möglich machen; da aber fuhr mich Tangua, der Häuptling der Kiowas, an:
„Diese Hunde gehören nicht euch, sondern uns, und ich allein habe zu bestimmen, was mit ihnen geschehen soll.“
„Nun – was?“ fragte ich ihn.
„Wir würden sie aufbewahren, bis wir in unsere Dörfer zurückkehren; aber da wir die ihrigen überfallen wollen und bis dahin noch einen weiten Weg haben, so werden wir uns nicht lange mit ihnen schleppen. Sie kommen an den Marterpfahl.“
„Alle?“
„Alle!“
„Das glaube ich nicht.“
„Warum?“
„Weil du vorhin im Irrtum gewesen bist.“
„Wann?“
„Als du sagtest, daß die Apachen euch gehörten. Das war falsch.“
„Das war richtig!“
„Nein. Nach den Gesetzen des Westens gehört der Gefangene dem, der ihn zum Gefangenen gemacht hat. Nehmt euch also die Apachen, welche ihr überwunden habt; dagegen will ich gar nichts haben. Diejenigen aber, die wir ergriffen haben, gehören uns.“
„Uff, uff! Wie klug du redest. Da wollt ihr wohl auch Intschu tschuna und Winnetou behalten?“
„Natürlich!“
„Und wenn ich sie euch nicht lasse?“
„Du wirst sie uns lassen!“
Er sprach in feindseligem Ton; ich antwortete ihm ruhig und bestimmt. Da zog er sein Messer, stieß es bis an das Heft in die Erde und sagte, indem seine Augen mich drohend anfunkelten:
„Legt ihr nur eine Hand an einen einzigen Apachen, so werden eure Leiber sein wie diese Stelle hier, in welcher mein Messer steckt. Ich habe gesprochen. Howgh!“
Das war sehr ernst gemeint; ich hätte ihm aber doch gezeigt, daß ich keine Lust hatte, mich einschüchtern zu lassen, wenn Sam Hawkens nicht so klug gewesen wäre, mir einen warnenden Blick zuzuwerfen, welcher mich zur Ruhe und Vorsicht mahnte. Ich zog es also vor, zu schweigen.
Die gefesselten Apachen lagen rund um das Feuer, und es wäre am einfachsten gewesen, sie da liegen zu lassen, wo sie ohne Mühe bewacht werden konnten. Aber Tangua wollte mir zeigen, daß er sie wirklich als sein Eigentum betrachte und mit ihnen nach Belieben verfahren könne; darum gab er den Befehl, sie aufrecht an die nahe stehenden Bäume zu binden.
Dies geschah, und zwar nicht in zarter Weise, wie man sich leicht denken kann. Die Kiowas verfuhren dabei möglichst schonungslos und waren bemüht, den Gefesselten möglichst große Schmerzen zu bereiten. Keiner der Apachen verzog dabei eine Miene. Sie waren im Erdulden aller Qualen streng erzogen und geübt. Am rohesten verfuhr man gegen die beiden Häuptlinge, deren Fesseln so fest zusammengezogen wurden, daß das Blut aus dem angeschwollenen Fleisch spritzen wollte.
Es war ganz unmöglich, daß ein Gefangener nun aus eigener Anstrengung loskommen und entfliehen konnte, dennoch stellte Tangua Wachen rund um das Lager aus.
Unser wieder angefachtes Feuer brannte, wie bereits erwähnt, am inneren Ende des sich nach dem Wasser ziehenden Grasstreifens. Wir lagerten uns um dasselbe und hatten die Absicht, keinen Kiowa bei uns zu dulden, da dies die Befreiung Winnetous und seines Vaters entweder erschweren oder gar unmöglich machen mußte; aber es fiel ihnen auch gar nicht ein, zu uns zu kommen. Sie hatten sich gleich, als sie bei uns ankamen, nicht als freundlich erwiesen, und mein jetziger Wortwechsel mit ihrem Häuptling war nicht geeignet gewesen, ihre Gesinnungen zu ändern. Die kalten, fast verächtlichen Blicke, welche sie uns zuwarfen, waren keineswegs vertrauenerweckend, und wir mußten uns sagen, daß wir nur froh sein dürften, wenn es uns gelingen sollte, mit ihnen ohne einen vorherigen Zusammenstoß auseinander zu kommen.
Sie brannten für sich in einiger Entfernung von uns, weiter nach der Savanne hinaus, mehrere Feuer an, um welche sie sich lagerten. Dort sprachen sie miteinander nicht in dem zwischen Weißen und Roten gebräuchlichen Idiom, sondern in der
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