010 - Satansmesse
die die Kirchenstufen heraufkamen und sich durch den Mittelgang dem Altar näherten.
»Heute Nacht wird es klappen. Wir sind alle zur rechten Zeit am rechten Ort versammelt. Niemand fehlt, und alle sind auf die Besucherin vorbereitet, die uns die hohe Ehre geben wird.« Ben sah die dünnen Lichtstreifen und fasste nach ihnen. Der Rausch hatte ihn nun vollständig ergriffen. Die rote Farbe, die durch die Poren in seinen Körper eingedrungen war, begann ihn nun vollständig zu verändern. Er war voller Selbstvertrauen und überzeugt, dass er in der Lage war, mit jedem Dämon oder Teufel zu kämpfen, der sich ihm in den Weg stellen würde. Die Vernunft war bereits ausgeschaltet, nun musste der Instinkt walten.
Trotzdem wusste Ben noch, dass ihm etwas Wichtiges zu tun blieb. Er hatte es sich so oft eingehämmert, dass er es auch im Schlaf hätte tun können. Wenn die alte Mrs. Emerly die Beschwörung begann, musste er in dem Kreis, der ihn, Carl und die Falltür umgab, noch das heilige Zeichen vor sich und Carl zeichnen. Es durfte nicht verwackelt sein und musste in den Himmelsrichtungen ganz genau stimmen.
Er streckte den Arm aus und ergriff die Flasche mit der roten Farbe. Vorsichtig tropfte er einige Tropfen auf den Schwamm, den er zusammendrückte, damit er einige feine Linien zeichnen konnte. Nun malte er im Dunklen die beiden Zeichen. Er war ganz sicher, dass sie sich genau da befanden, wo sie sein mussten, und später stellte sich auch heraus, dass er recht gehabt hatte. Dann stellte er die Flasche vorsichtig hinter sich und legte den Schwamm daneben.
Die Menschen im Kirchenraum hatten sich inzwischen ausgezogen und versammelten sich nun rund um den Altar. Sie bildeten einen großen Kreis. Alle Kerzen waren neben den Altar auf den Boden gestellt. Ben konnte durch den Spalt der Falltür sehen, dass der Altar leer war. Dann trat Mrs. Emerly heran und wischte den Altartisch mit einem sauberen, weißen Tuch langsam und zeremoniell ab. Sie war splitternackt. Ihr magerer Körper mit der ausgetrockneten, faltigen Haut erinnerte an eine Mumie.
Dann warf die alte Frau den Lappen hinter sich, so dass er außerhalb des Kreises der nackten Leiber niederfiel. Sie bog den Kopf nach hinten, hob das Gesicht, und Ben sah ihre entrückten Augen. Nach einigen Sekunden begann sie rhythmisch zu singen.
In diesem Augenblick legten zwei nackte Männer ein gefesseltes Mädchen auf den Altar.
Obwohl Ben auf diesen Anblick gefasst war, musste er vor Schreck schlucken. Die arme Barbie blickte mit weit aufgerissenen Augen zur Decke, und er hatte das Gefühl, dass sie ihn hilfeflehend ansah. Ihre Arme wurden an der einen Seite des Altartisches angebunden, ihre Füße an der anderen. Sie lag da wie ein Menschenopfer.
Carl hatte sich vorgebeugt und atmete schwer. Auch ihn erfasste Entsetzen, als er das nackte Mädchen da unten liegen sah.
Die Zeremonie konnte beginnen. Es war alles bereit.
Die alte Frau strich mit weichen, rhythmischen Bewegungen über den nackten Leib des Mädchens, um es zu beruhigen. Dazu sang sie mit leiser, aber durchdringender Stimme ihre Beschwörung.
Ben sah, wie die alte Frau einige Zeichen auf den Leib des Mädchens malte. Schnell drehte er sich um, holte den Schwamm, den er hinter sich gelegt hatte, und fügte seinen Hieroglyphen ein Zeichen zu. Er fühlte sich so beschwingt, dass er am liebsten gelacht und gesungen hätte. Er war sicher, dass er alles erreichen würde, was er sich vorgenommen hatte.
Er legte den Schwamm wieder weg und begann sich zu wiegen und leise zu singen. So leise er konnte, stimmte er in die Beschwörungen ein, die er von unten hörte, machte aber seine Gesten und Zeichen dazu und änderte allmählich seinen Ton und seine Worte.
Nachdem er die ersten allgemeinen Beschwörungsformeln gesprochen hatte, rief er Janus direkt an und hoffte, dass die alte Frau sich nun an Beezrah wandte. Er wusste, dass er Geduld haben musste. Aber er war sicher, dass Janus nicht kommen würde, ehe Beezrah erschien.
Er streckte seine linke Hand über den fünfzackigen Stern, den er zuletzt gemalt hatte, tippte mit jedem Finger auf eine Sternspitze und sang dabei die entsprechende Anrufung. Als er geendet hatte, begann er von neuem, und nun fiel auch Carl in den eintönigen, leisen Gesang ein. Sie wiegten ihre Oberkörper und sangen mit geschlossenen Augen.
»Es wird bald alles gut sein«, sang die alte Frau und streichelte ihre Enkelin. Diesen Satz wiederholte sie immer wieder zwischen den Formeln,
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