0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte
Name?«
»Terrence Retting, aber Sie brauchen sich keine Mühe zu geben, mich in Ihrer Kartei zu finden, G-man. Ich bin ein unbeschriebenes Blatt.«
»Ich habe das unangenehme Gefühl, daß sie auf dem besten Wege sind, dafür zu sorgen, daß wir eine Karteikarte über Sie anlegen müssen. — Los, erzählen Sie mal ein bißchen von sich, Retting. Es interessiert mich.«
Der Lederbejackte hatte sich wieder hochgerappelt. Retting winkte ihm. Er und sein Kumpan schoben ab. Auch Benny war aufgestanden und drückte sich wortlos an den Leuten auf der Tanzfläche vorbei zur Tür.
»Ich habe ein wenig Geld, von dem ich lebe«, erklärte Mr. Retting, leichthin. »Wollen Sie übrigens etwas trinken, Mr. G-man?«
»Danke. Sind Sie New Yorker?«
»Ja, aus der Bronx. Sie müßten es eigentlich am Slang hören.«
»Haben Sie John Kelly gekannt? Man nannte ihn den ›roten Kelly‹?«
Er grinste unverschämt.
»Ich kenne niemanden und habe niemanden gekannt, nach dem Sie mich fragen, G-man.«
»Hören Sie mal zu, Retting«, sagte ich langsam. »Sie haben sich in Frankie Bodges Bett gelegt. Banden von der Sorte, wie Sie sie hier kommandieren, gibt’s drei Dutzend in New York, und kein FBI-Mann würde sich auf die Strümpfe machen, um einem Rudel Halbstarker klar zu machen, daß sie sich auf einer verdammt schiefen Bahn befinden. Sie sollten sich also überlegen, daß ich hier nicht nur zum Spaß aufkreuze, oder weil ich das Bedürfnis habe, Ihren Boys eine kostenlose Stunde Boxunterricht zu erteilen. Frankie Bodge wurde vom ›roten Kelly‹ erschossen. Dann wurde Kelly erschossen.«
»Das FBI killte ihn«, warf Retting ein.
»Sie kannten ihn also doch!«
»Es stand in allen Zeitungen, daß der ›Rote‹ von einem FBI-Beamten hinterrücks über den Haufen geschossen wurde.«
Ich überhörte die Lüge.
»Kelly war von einem Mann gegen Bodge geschickt worden, der ebenfalls eine Gang führte. Dieser Gangster-Boß starb vor einigen Tagen an einer Kugel, von der wir nicht wissen, ob sie durch einen Zufall oder wohlüberlegt abgefeuert worden ist. Wir fangen also mit unseren Nachforschungen von vorne an, bei Frankie Bodge. Und auf Frankie Bodges Stuhl sitzen Sie, Retting.«
»Woher wissen Sie, daß er ausgerechnet auf diesem Stuhl saß?« witzelte Retting dämlich.
»Ich kann auch anders mit Ihnen reden«, warnte ich. »Geben Sie mir eine vernünftige Antwort. Warum erschoß der ›Rote‹ Frankie Bodge?«
Terrence Retting hob die Schultern.
»Tut mir leid, G—man. Ich habe keine Ahnung.«
Zehn Minuten später bahnte ich mir durch die Rotte Jugendlicher den Weg ins Freie, und als ich hinter dem Steuer des Jaguars saß und die 130. Straße hinunterfuhr, fühlte ich eine Mordswut auf Roger Harper, der mich mit seiner dämlichen Andeutung vom »Anfang, bei dem man anfangen müsse« in diese alberne Schlägerei mit Halbstarken und ein Gespräch mit einem lächerlichen Straßengang-Boß hineingehetzt hatte.
Ich spürte Lust, mir Roger Harper noch einmal zu kaufen. Kurzerhand drehte ich das Steuer und fuhr in die 87. Straße.
Der Aufzug funktionierte immer noch. Ich ließ mich in den achten Stock liften und klopfte an die Tür mit dem pompösen Schild. Niemand antwortete. Ich versuchte es noch einmal, wieder ohne Ergebnis.
Eine Putzfrau, bewaffnet mit Besen und Eimer, schob sich aus dem Halbdunkel des Korridors an mich heran.
»Wenn Sie zu Mr. Harper wollen, so werden Sie wenig Glück haben.«
»Aber er wohnt doch hier!«
»Ja, früher hat er in seinem Büro geschlafen. Ich habe immer bei ihm geputzt, wenn ich mit den anderen Büros fertig war. Seit einigen Tagen ist er aber nicht mehr auf gekreuzt.«
Sie ging weiter bis zum Aufzug.
»Wollen Sie mitfahren?« fragte sie.
»Danke, ich gehe zu Fuß. Tut meiner Figur gut.«
Sie zuckte die Achseln, schloß die Tür, und der Fahrstuhl rumpelte abwärts. Ich lief eine Treppe, drehte dann um und ging wieder nach oben.
Ich hatte Glück. Offenbar hatte die Putzfrau die Tür noch nicht abgeschlossen. Ich drückte mich in den Raum, schloß die Tür und schaltete das Licht ein.
Ich ging langsam umher und sah mich um, aber es war nichts besonderes zu entdecken. Auf dem alten Schreibtisch lag ein aufgeschlagener Aktenordner. Ich beugte mich darüber und las das oben liegende Blatt.
Es war eine Art Protokoll, aufgenommen von Roger Harper selbst und unterschrieben von einer Frau mit dem Namen: Ann Mary Clean. Der Text lautete:
»Mrs. Ann Mary Clean erteilt hierdurch dem
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