0100 - Die Schule der Dämonen
wie auf dem Präsentierteller. Man kann uns von allen Seiten sehen.«
»Wenn man hinsieht, ja. Aber das scheint mir nicht unbedingt der Fall zu sein. Die Leute haben etwas viel Besseres zu tun. Trotzdem…«
Er überlegte kurz. »Am besten wäre es von der Rückfront her. Wir müßten nur erst einmal in den Hausflur kommen. Und das geht nur…«
Zamorra trat in den Hauseingang, inspizierte die Tür genau. Sie erschien ihm nicht als unüberwindbares Hindernis.
»Nicole, stell dich so vor mich, daß du mich weitgehend verdeckst. Ja, so ist es gut.«
Der Professor winkelte das Bein an, wuchtete es dann gegen die Tür, unmittelbar unterhalb des zugesperrten Schlosses. Die Tür ächzte, gab aber noch nicht nach. Beim nächsten Tritt splitterte bereits etwas. Und beim dritten Versuch flog die Tür nach innen, wie von einer Windsbraut gepackt. Der dabei entstehende Lärm wurde weitgehend von der Geräuschkulisse des Marktplatzes übertönt.
Eine gute Minute wartete Zamorra ab. Im Hause rührte sich nichts. Und auch von den Menschen auf dem Markplatz nahm bisher niemand Notiz.
»Bon«, sagte der Professor. »Nicole, du wartest hier. Ich werde durch ein Rückfenster in die Wohnung einsteigen.«
»Und dann? Was willst du da drinnen? Eine Konfrontation mit diesem Stadtrat? Wenn er wirklich ein Dämon ist… Chef, du hast keine Chance. Er kann dich in der Luft zerreißen, wenn er will.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. In erster Linie suche ich keine Konfrontation. Es geht mir um mein Amulett. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat es Verlaine in Besitz genommen. Wäre nur logisch, daß er es irgendwo in der Wohnung verborgen hat. Daß er es ständig mit sich führt, halte ich für ausgeschlossen. Der Talisman ist für Dämonen schlimmer als ein Stück rotglühender Stahl.«
»Paß auf dich auf, Chef«, gab ihm Nicole mit auf den Weg.
Zamorra nickte und schlüpfte ins Haus. Er erreichte die Wohnungstür Verlaines. Kurz kämpfte er mit der Versuchung, auch diese Tür einfach einzutreten, ließ diesen Gedanken dann aber fallen. Falls doch jemand in der Wohnung war, würde er sofort vorgewarnt sein.
Er schlich durch das Treppenhaus. Eine Hintertür gab es nicht. Wohl aber eine Tür, die in den Keller führte. Sie stand offen. Eine Treppe führte nach unten, und Zamorra setzte seine Füße auf die Stufen.
Seine Erwartungen erfüllten sich. Vom Keller aus gab es eine Tür, die zum Hinterhof führte. Der Schlüssel steckte von innen. Kein Problem für den Professor.
Nicht viel später stand er vor der Rückfront des Hauses, die nicht von einem schmutzigen Hinterhof, sondern einem hübsch angelegten Garten begrenzt wurde. Die Fenster der Erdgeschoßwohnung lagen im Dunkeln.
Zamorra legte das Ohr an eine Scheibe. Kein Laut war zu hören. Er wagte es, das Glas in Höhe des Fensterknaufs einzudrücken. Mehrere Scherten fielen unangenehm klirrend nach innen. Wieder lauschte der Professor angespannt, ohne im Inneren der Wohnung etwas zu hören.
Aufatmend steckte er seine Hand hindurch und drehte den Knauf. Dann konnte er in die Wohnung hineinklettern.
Das Zimmer, in dem er sich wiederfand, war so etwas wie ein Herrenzimmer. Viele Bücher, eine Clubgarnitur, Rauchtisch. Zamorra überlegte, ob er es riskieren sollte, Licht anzumachen.
Da hörte er plötzlich ein Geräusch. Irgend jemand hustete, unterdrückt und irgendwie verstohlen.
Es war doch jemand in der Wohnung! Anscheinend im Nebenzimmer.
Fast automatisch griff der Professor nach der Jagdpistole, die er erobert hatte. Auf leisen Sohlen schlich er zur Tür, öffnete sie geräuschlos. Eine dunkle Diele lag vor ihm.
Wieder wurde gehustet. Und jetzt war er sich ganz sicher, wo die Geräusche herkamen. Nicht aus dem Nebenzimmer, sondern aus dem Raum gegenüber dem Herrenzimmer. Die Tür dieses Raums stand halb offen.
Zamorra ging aufs Ganze. Dämonen pflegten nicht zu husten wie ein Asthmakranker. Es mußte also ein Mensch sein, der mit ihm in der Wohnung war.
Mit einem Satz durchquerte er den Flur, stieß die bewußte Tür ganz auf. Mit der linken Hand tastete er nach einem Lichtschalter, fand ihn auch. Eine Deckenlampe flammte auf.
Ein Blick genügte dem Professor, um sich mit der Situation vertraut zu machen. Er stand im Türrahmen eines Schlafraums. Im Bett lag eine Frau. Sie mochte etwa fünfzig Jahre alt sein und sah verhärmt und krank aus. Die Frau hatte den Kopf leicht angehoben und starrte ihn mit panikgeweiteten Augen an.
»Bi… bitte tun Sie mir
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