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0100 - Die Schule der Dämonen

0100 - Die Schule der Dämonen

Titel: 0100 - Die Schule der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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bewies ihre praktische Ader und versuchte, dies auf eine mehr herkömmliche Weise zu tun. Sie beugte sich vor und kramte Zamorras Telefonkladde unter diversen Unterlagen auf dem Schreibtisch hervor. Die Nummer des Gedankenlesers, wie sie ihn nannte, war eingetragen.
    »Soll ich mal versuchen, ihn anzurufen, Chef?«
    Der Professor zuckte die Achseln. »Ich fürchte, du wirst nicht viel Glück haben. Ich glaube nicht, daß er von zu Hause angerufen hat.«
    »Vielleicht kann uns seine Frau sagen, wo er sich aufhält?«
    »D’Avallon ist nicht verheiratet. Kannst du dir vorstellen, die Frau eines Mannes zu sein, der gleich Bescheid weiß, wenn du einen beachtlichen Teil des Haushaltsgelds für einen neuen Hut oder so was Ähnliches ausgegeben hast?«
    Nicole, die den Verlockungen von Boutiquen auch nur schwer widerstehen konnte, schüttelte sich.
    »In der Tat ein schauerlicher Gedanke«, murmelte sie.
    Dann griff sie nach dem Telefonhörer und wählte d’Avallons Parisei Nummer. Es zeigte sich sehnell, daß der Professor recht gehabt hatte. Mit nervtötender Regelmäßigkeit tönte ihr das Freizeichen entgegen.
    Nicole legte auf. »War wohl nichts«, kommentierte sie ihren erfolglosen Kontaktversuch.
    Zamorra nickte. »Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als nach Paris zu fahren, um an Ort und Stelle nach seinem Verbleib zu forschen.«
    Nicole hatte nichts dagegen. Schließlich gab es in Paris zahllose reizvolle Boutiquen. Und zum Glück war Zamorra trotz all seiner Fähigkeiten kein Gedankenleser.
    ***
    »Und heute, Jungs, wollen wir uns einmal über euer Verhältnis zur Autorität unterhalten. Über die Autorität des Staates, der Schule, eurer Eltern. Ich glaube, daß das meiste, was man euch bisher über die Rolle gesagt hat, die ihr zu spielen habt, überholungsbedürftig sein dürfte.«
    Alain Lumière, Lehrer an der École primaire in Limaux, saß hinter dem Katheder und blinzelte die Klasse durch seine dicken Augengläser an.
    Einige der Schüler kicherten unverhohlen. Glotzauge, wie sie Lumière bei sich nannten, genoß nicht allzuviel Respekt bei ihnen. Daß ausgerechnet er ihnen etwas über Autorität beibringen wollte, fanden sie lustig.
    Lumière ließ sich durch die grinsenden Mienen der jungen Burschen nicht aus dem Konzept bringen.
    »Fangen wir an mit den Eltern«, sagte er ruhig. »Um euch zu verdeutlichen, auf was ich hinauswill, wollen wir uns eine Szene vor Augen führen, wie ihr sie wahrscheinlich alle schon mal erlebt habt. Also: Ihr sitzt gemütlich vor dem Fernseher und guckt euch Bonanza an. Da kommt euer Vater ins Zimmer und fordert euch auf, eurer Mutter beim Abtrocknen zu helfen. Was tut ihr? Müller?« Lumière deutete auf einen schmalen, blaßgesichtigen Jungen in der ersten Reihe.
    Müller war ein sittsamer Schüler. Er bemühte sich stets, keinen der Lehrer zu verärgern. Auch Glotzauge nicht. Deshalb sagte er genau das, was Lumière seiner Meinung nach hören wollte: »Ich stehe sofort auf und gehe in die Küche, um meiner Mutter zu helfen.«
    »Falsch«, sagte der Lehrer zu seiner großen Überraschung. Dann fragte er einen anderen Schüler — Claude Serrat, einen Jungen, der beim Lehrerkollegium als sehr widerspenstig galt.
    Serrat drückte sich aus seiner Bank hoch und griente pfiffig. »Ich sage ›Gleich, Vater!‹ Und wenn mein Vater dann aus dem Zimmer gegangen ist, gucke ich weiter Bonanza.«
    »Schon besser«, lobte der Lehrer, »aber immer noch nicht richtig. Margaux?«
    René Margaux war ohne jeden Zweifel einer der frechsten und ungezogensten Schüler der ganzen Schule. Das bewies er auch jetzt wieder, indem er sagte: »Ich tue so, als hätte ich gar nicht gehört, was mein Vater von mir will, und sehe mir weiter Bonanza an.«
    Alain Lumière nickte beifällig. »Das ist schon eine ganz vernünftige Einstellung«, kommentierte er die Worte des Jungen. »Aber sie trifft immer noch nicht den Kern der Sache.« Lumière lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und kreuzte die Arme über der Brust. »Jungs, ihr müßt das so sehen. Es ist euer verdammt gutes Recht, Fernsehen zu gucken, wenn ihr Lust dazu habt. Wenn nun euer Vater das Ansinnen an euch stellt, eine Tätigkeit zu unterbrechen, die euch Spaß macht, so ist das eine ausgesprochene Frechheit. Ihr seid ein Mensch mit denselben Freiheiten wie eure Eltern, und ihr braucht, euch nicht rumkommandieren zu lassen. Die einzig richtige Handlungsweise wäre also die: Ihr sagt zu eurem Vater, daß er gefälligst das Maul

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