0102 - Die Horde aus dem Jenseits
anhielt…
***
Walter Sherman pfiff mit schrillen Tönen einen alten Gassenhauer. Er hielt das Lenkrad mit der rechten Hand, während sein linker Arm um die Schultern von Geraldine Norris lag.
Die beiden jungen Leute waren im Kino gewesen. Vom Film hatten sie nicht allzuviel mitbekommen. Dazu waren sie während der Vorstellung im Dunkel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, und Walter hatte davon immer noch nicht genug. Er hörte zu pfeifen auf und lenkte den Cortina von der Landstraße in einen engen, holperigen Waldweg.
Geraldine wußte natürlich sofort, weshalb er das tat, hatte jedoch nichts dagegen. Sie warf ihm einen verlegenen Blick zu. Er grinste etwas linkisch, als er merkte, daß sie ihn durchschaut hatte.
Sobald das Motorengeräusch verstummt war, klappte Walter die Liegesitze um. Dann glitt er behutsam auf sein Mädchen zu, nahm ihr hübsches Gesicht in seine derben Hände und küßte ihre Augen, die Stirn, die Wangen…
Er war einundzwanzig, groß und kräftig gebaut. Sein Haar war blond, mit einem Stich ins Rötliche. Um die Nase waren zahlreiche dunkle Sommersprossen versammelt. Geraldine liebte jede einzelne davon.
Sie erwiderte seine leidenschaftlichen Küsse, und sie ärgerte sich darüber, daß sie sich Walter nicht voll hingeben konnte. Es war ihr unmöglich abzuschalten. Immerzu lauschte sie auf die Geräusche, die den Wagen umgaben. Sie bildete sich ein, jemand wäre in ihrer Nähe. Jemand, der ihnen nicht gut gesinnt war.
Das Rauschen des Waldes, das Rascheln der Blätter legte sie als Raunen und Wispern aus.
Sie wollte Walter mit geschlossenen Augen küssen, doch etwas zwang sie, hellwach zu sein und die Augen weit offenzuhalten.
Er merkte sehr schnell, daß sie verkrampft und nicht richtig bei der Sache war.
Verstimmt ließ er von ihr ab. »Wenn du mich nicht küssen magst, warum tust du es dann?« fragte er ärgerlich.
»Entschuldige bitte, Walt…«
»Was soll ich entschuldigen? Daß du für heute schon von mir genug hast?«
»Das darfst du nicht sagen. Das stimmt nicht.«
»Du liegst da wie ein Brett. Fast teilnahmslos, legst nicht einmal die Arme um mich. Also ehrlich, dabei vergeht’s einem.«
Geraldines meergrüne Augen rollten. »Es… es muß der Wald sein.«
»Was ist damit?«
»Ich finde ihn irgendwie… unheimlich.«
»Blödsinn. Es ist ein Wald wie jeder andere. Mit Büschen und Bäumen. Was sollte daran schon unheimlich sein?«
Geraldine zuckte die Achseln. »Er macht mir eben Angst.«
Walter winkte ab. »Das ist doch nur eine billige Ausrede. Fällt dir denn nichts Besseres ein?«
»Du bist gemein, Walt!« stieß Geraldine erzürnt hervor. Sie setzte sich mit einem jähen Ruck auf.
Er legte seine Hände auf ihre Schultern und wollte sie wieder niederdrücken, doch sie stemmte sich gegen seinen Druck. »Nun komm schon«, sagte er sanft.
»Laß mich in Ruhe.«
»Ich hab’ das nicht so gemeint.«
»Ich kann nichts dafür, daß ich Angst habe.«
»Nein, natürlich nicht.« Walter setzte sich ebenfalls auf. Er küßte das kleine Ohrläppchen seines Mädchens und meinte beschwichtigend: »Wollen wir das Kriegsbeil nicht wieder begraben? Hm? Du brauchst hier keine Angst zu haben, Geraldine. Ganz bestimmt nicht. Hier bist du so sicher wie in Abrahams Schoß. Außerdem…« Er grinste. »Ich bin groß und kräftig. Ich kann dich sehr gut beschützen. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich werde mit jedem Gegner fertig, das habe ich dir bereits mehr als einmal bewiesen. Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie ich Delmer Waiss zur Schnecke gemacht habe?«
Geraldine hörte nur mit halbem Ohr zu.
Ihre Blicke streiften rahelos umher.
Sie bildete sich ein, Gestalten durch die Dunkelheit huschen zu sehen. Gestalten mit grauenerregenden Fratzen.
Bildete sie sich das wirklich nur ein?
Sie spürte Walters Hand an ihrem üppigen Busen. Ohne es zu wollen, drängte sie ihn von sich. »Bitte laß das, Walt!«
Der Junge wurde ärgerlich. »Jetzt schlägt’s aber gleich dreizehn. Wofür hältst du mich eigentlich? Für deinen Hampelmann, der sich nur dann bewegt, wenn du am Faden ziehst?« Sein Mannesstolz war verletzt. Er zündete sich mit einer aggressiven Bewegung eine Zigarette an und blies den Rauch gegen die Frontscheibe, über die er sich verteilte. »Mich kann man nicht an- und abstellen wie einen Automaten, merk dir das. Ich bin ein Mensch mit Gefühlen…«
»Darf ich das nicht auch sein?« fragte Geraldine wütend.
»Natürlich darfst du das.
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