0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
um sich selbst bekommen.
Narko blieb rund fünf Meter vor Zamorra und Nicole stehen. Nicole bewegte sich. Sie würde bald aufwachen. Mit einem furchtbar schlechten Gewissen. Zamorra hätte sich in einer günstigeren Ausgangsposition gefühlt, wenn er Nicole nicht bei sich gehabt hätte. Jetzt mußte er Rücksicht auf sie nehmen, und das engte seine Bewegungsfreiheit ein.
Er sah Narko gefaßt entgegen, zeigte ihm seine weißen Zähne bei dem zynischen Grinsen, zu dem er sich zwang.
»Und jetzt?« fragte er und hielt das Amulett vor sich an der ausgestreckten Rechten her. Das Medaillon pendelte, und er registrierte zufrieden, wie Narko leicht zurückzuckte.
Doch nur kurz. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Der Dämon gab das zynische Grinsen zurück.
»Versuche nur, einen einzigen Schritt auf mich zuzugehen, Fremder«, sagte er, »und meine Leute werden dich in Stücke zerhacken. Du hättest bleiben sollen, wo du herkommst.«
»Dann willst du meine Seele also nicht mehr trinken?« erkundigte sich Zamorra und bediente sich dabei der Sprache des Dämons. »Hat dir das Amulett den Durst verdorben, wie?«
Narko kreuzte die Arme vor der Brust, aus der das Heft eines Dolches ragte.
»Du wirst dieses Medaillon nicht immer haben, Magier aus der Zukunft. Dann ist deine Stunde gekommen.«
Für Zamorra war damit alles klar.
Narko wollte eine Berührung mit ihm vermeiden, weil er die Kräfte des Amuletts nicht sicher abschätzen konnte. Doch mit Sicherheit war ihm mittlerweile klargeworden, daß in dem kreisrunden Silber Kräfte des Lichts steckten, während er sich der Mächte der Finsternis bediente. Weiße und schwarze Magie prallten hier aufeinander. Narko wollte es nicht auf eine offene Kraftprobe ankommen lassen.
Noch nicht.
»Sperrt sie in den Verschlag«, sagte er nach einer kurzen Pause des Nachdenkens. »Und bewacht sie gut. Morgen gehört das Mädchen euch.«
Die wilde Meute der Fenna begann, wüst zu grölen. Es war nicht schwer zu erraten, was sie mit Nicole Duval anstellen würden, wenn ihr Herrscher ihnen das Startzeichen dazu gegeben hatte.
Zamorra war froh, daß die junge Frau immer noch schlief.
Aber sie würde bald erwachen, und es war nicht zu erwarten, daß ihre neue Umgebung ihr dann gefiel.
Zamorra bückte sich nach ihr und nahm sie in die Arme. Er trug sie wie ein Kind vor sich her, während schnatternde Wilde in Bärenfellen ihm mit ihren Waffen den Weg wiesen.
***
»Wo… wo sind wir?« kam unweigerlich die Frage Nicoles, sobald sie die Augen aufgeschlagen hatte. »Chef?«
Zamorra hätte sie zur Strafe liebend gern noch ein wenig im ungewissen über ihre Lage belassen, aber dann fand er, daß auch die Wahrheit schon genügend Schrecken für Nicole bergen würde.
»Ich bin hier«, antwortete er und faßte zu dem dunklen Bündel an seiner Seite hinüber. »Und zusammen sind wir eingesperrt. Frage mich nicht, wo genau das sein soll. Ich weiß es selbst nicht. Aber es sieht ganz so aus, als wären wir in einer anderen Zeit gelandet. Ich würde auf die erste Jahrtausendwende nach Christus tippen.«
»Oh…!«
»Mehr fällt dir nicht dazu ein?« fragte Zamorra mit aufkeimendem Mißmut. »Zumindest verdankst du dir die Suppe selbst, die du dir hier eingebrockt hast. Du hättest nicht mitzukommen brauchen.«
»Bitte, sei mir nicht mehr böse, Chef.«
»Wann hast du mir das Amulett geklaut?«
»Geklaut?«
»Gestohlen, gemopst, gefischt oder wie immer du das nennen willst.«
»Gut. Ich habe es vorübergehend an mich genommen.«
»Als wir uns küßten?«
»Hauptsächlich habe ich dich geküßt«, beharrte Nicole. »Du hattest ja nichts anderes als deine Experimente im Sinn, die schon Kim Lisöjn das Leben gekostet haben. Und da dachte ich…«
»Ja?«
»Ich konnte doch nicht wissen, daß du ohne dein Amulett weitermachen würdest. Astrid und ich warteten, daß du endlich zu ihrem Haus herüberkommst. Dort hatten wir doch schon am Nachmittag unser ganzes Gepäck hingebracht. Astrid und ich. Oder erinnerst du dich nicht mehr?«
Zamorra erinnerte sich dunkel daran, daß während des Abendessens darüber gesprochen worden war. Am Nachmittag hatte er nichts bemerkt. Da war er viel zu beschäftigt gewesen.
Langsam kam er hinter Nicoles Beweggründe. Sie hatte ihn davon abhalten wollen, dasselbe zu tun wie Kim Lisöin. Das wiederum ließ den »Diebstahl« in einem milderen Licht erscheinen. Sie hatte ihm das Amulett abgenommen, weil sie ihn liebte und weil sie nicht wollte, daß er
Weitere Kostenlose Bücher