0104 - Die Stieftochter des Teufels
Negros.
»Ich bin Kommissar Priol von der Bezirks-Gendarmerie!« stellte sich der Beamte vor. »Das ist Sergeant Tersou.« Er deutete auf die beiden anderen. »Mademoiselle Duval und Professor Zamorra.«
Edourd Rivette nickte den beiden zu. »Ich weiß, Professor Zamorra wohnt im Jagdhaus. Aber was führt die Gendarmerie auf das Schloß des Marquis de Cassagne?«
»Das rätselhafte Verschwinden zweier junger Leute aus Beaufort, Monsieur. Ihr Wagen steht in der Nähe des Schlosses im Wald. Außerdem ist in der vergangenen Nacht Gendarm Servais auf recht seltsame Weise zu Tode gekommen. Kannten Sie ihn?«
»O ja, natürlich. Und wer sind die beiden, hm, Verschwundenen?«
»Robert Jeffre, ein Ingenieur aus Paris, der hier arbeitete. Und seine Freundin Jeanne Audret, Lehrerin aus Beaufort. Kennen Sie die beiden?«
Rivette schüttelte den Kopf. »Tut mir leid! Nein! Ich komme so gut wie nie ins Dorf. Aber darf ich mir die Frage erlauben, warum Sie gerade auf Château de Cassagne etwas zu erfahren glauben, Monsieur?«
»Sie dürfen. Das Schloß liegt in unmittelbarer Nähe des Platzes, an dem die beiden verschwunden sind. Mademoiselle Duval entdeckte den Wagen heute morgen. Einiges deutet darauf hin, daß Robert Jeffre und Jeanne Audret entführt wurden. Zumindest muß es angenommen werden. Und da das Schloß ganz ist in der Nähe ist, liegt es ja wohl auf der Hand, daß…«
Eine herrische Handbewegung des Kastellans unterbrach den Beamten. »Monsieur«, sagte Rivette mit eisiger, schneidender Stimme, »ich muß mich gegen jegliche Unterstellung verwahren! Im Namen des Marquis de Cassagne! Damit Sie jedoch sehen, daß wir nichts zu verbergen haben, stelle ich es Ihnen frei, sämtliche Räume des Schlosses zu durchsuchen! Ich betone ausdrücklich, daß dies aus freien Stücken geschieht und daß ich auf die Vorlage eines Durchsuchungsbefehls verzichte! Wir haben weder mit dem Verschwinden der beiden jungen Leute noch mit dem sehr bedauerlichen Tod des Gendarms etwas zu tun!«
Priol holte tief Luft. »Monsieur«, sagte er dann mit gepreßter Stimme, »ich habe mit keiner Silbe etwas davon erwähnt, daß ich die Bewohner von Château de Cassagne mit den Vorfällen in irgendeinen Zusammenhang bringe. Vielmehr wollte ich lediglich erfahren, ob Sie während der Nacht irgend etwas gehört haben - was immerhin möglich sein könnte, nicht wahr? In der Nacht ist es still, und ich meine, selbst hier im Schloß hätte man…«
Wieder eine Handbewegung. »Die Mauern sind viel zu dick, als daß man etwas hören könnte, Monsieur!« erklärte Rivette mit Nachdruck. »Überzeugen Sie sich bitte selber! Außerdem, nachts pflege ich zu schlafen, und ich habe einen sehr tiefen Schlaf. Zudem sind wir nur zu viert im Schloß: meine Tochter Denise, meine Stieftochter Martine, die zur Zeit zu Besuch hier weilt, und der alte Jaques, unser Faktotum. Hätte irgend jemand etwas vernommen, hätte er ganz sicher darüber gesprochen.«
»Schon gut, schon gut!« winkte Priol ab. »Dann möchte ich jetzt das Schloß durchsuchen. Ich bin sicher, daß Sie Verständnis dafür haben werden. Schließlich tue ich nur meine Pflicht.«
Rivette nickte. Es sah beinahe gönnerhaft aus. »Selbstverständlich, Monsieur! Ah, da kommt meine Tochter! Oder nein, verzeihen Sie, es ist Martine! Im ungewissen Licht kann man die beiden leicht verwechseln. Komm etwas näher, Martine! Wo ist Denise übrigens?«
»Zum See«, klang es zurück. Das Mädchen kam langsam näher. Es war Denise!
Zamorra kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Ja, dachte er, das ist Martine! Sie hat sich umgezogen.
»Hallo! Gäste…?« Denise reichte Nicole Duval die Rechte, die diese zögernd ergriff.
Ein seltsamer Blick flog zu Zamorra hinüber. Nicole war wütend, denn Denises Hand war alles andere als kalt. Und als sie jetzt lachte und ihr Atem Nicole ins Gesicht schlug, steigerte sich deren Zorn nur noch. Untote, dachte sie, na warte, mein Freund! Ich habe doch geahnt, daß das alles nur faule Ausreden sind! Die Kleine brachte deine Männlichkeit in Wallung, du dachtest: Nicole ist weit weg, warum also nicht! Von wegen kalt… dieses Mädchen steckt voller Leidenschaft, man braucht nur in die verdammt schönen, grünen Augen zu sehen, um es festzustellen.
Denise wandte sich jetzt Zamorra zu, gab auch ihm die Hand und lächelte ihm dabei vielsagend zu. Es gelang ihm kaum, sein Erstaunen zu verbergen, als er die Wärme spürte, die ihre Hand ausstrahlte. »Hallo!« sagte
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