0104 - Die Stieftochter des Teufels
sie mit rauchiger Stimme, die die Wirkung eines einschlagenden Blitzes auf ihn hatte. »So schnell sieht man sich wieder?!«
Ehe er etwas sagen konnte, wandte sie sich ab und nickte den beiden Beamten zu. »Nun? Schon etwas entdeckt?«
Priol schüttelte den Kopf. »Nein. Sie haben nachts auch nichts gehört, hm?«
»Tut mir leid - nein!«
»Wir wollen die Beamten nicht aufhalten, Martine«, mischte sich Edouard Rivette ein. »Sie wollen das Schloß durchsuchen. Vielleicht widmest du dich währenddessen den anderen Herrschaften?«
Er wandte sich ab, ohne auf ihre Erwiderung zu warten. Priol und Tersou folgten ihm.
»Darf ich Sie in den Salon bitten?« meinte Denise. »In der Halle ist es wohl zu ungemütlich.«
Das Mädchen deutete auf eine Tür und ging voran. Der Raum, den sie jetzt betraten, war ganz in Gold und Blau gehalten und luxuriös eingerichtet - freilich in einer vergangenen Zeit.
Professor Zamorra ließ sich in einen der riesigen Sessel fallen und sah sich um. »Interessant!« meinte er und deutete auf ein großes Ölgemälde, das eine junge Frau darstellte. »Sehr viel Ähnlichkeit mit Ihnen, Mademoiselle. Oder finden Sie nicht?«
Sie wartete, bis Nicole sich gesetzt hatte, dann erst nahm auch sie Platz und schlug die langen, wohlgeformten Beine übereinander, ohne darauf zu achten, daß Zamorra eine Menge ihrer prächtigen Schenkel zu sehen bekam.
»Das behaupten viele!« sagte sie. »Aber ich meine, so groß wäre die Ähnlichkeit nicht! Schließlich wäre es auch seltsam, immerhin bin ich eine Rivette und keine Cassagne oder Dupont. - Darf ich Ihnen irgend etwas anbieten? Einen Pernod vielleicht? Oder einen erstklassigen, alten Cognac?«
Er winkte ab. »Danke - nein! Sagen Sie, Mademoiselle, der Marquis kommt wohl sehr selten hierher, hm?«
»Fast gar nicht«, gab sie zurück. »Soviel ich weiß, behagt ihm die Atmosphäre des Schlosses nicht. Der Marquis zieht es vor, modern zu wohnen. Offen gestanden, ich kann es ihm nachfühlen, denn ständig könnte ich hier auch nicht wohnen. Besuchsweise ja, da ist es ganz reizvoll. Doch sonst?«
Kommissar Priol kam erstaunlicherweise schon zurück. »Würden Sie uns nach Beaufort zurückbringen?« fragte er und blieb an der Tür stehen.
»Selbstverständlich.« Zamorra und Nicole erhoben sich sofort. »Schon fertig, Monsieur le Commissaire?«
»Ja.«
»Na fein, dann können wir ja!«
Irgendwie war Zamorra zufrieden, daß sie das Schloß so schnell wieder verlassen konnten.
Sie erhoben sich und gingen in die Halle zurück. Martine-Denise reichte Zamorra die Hand. »Vielleicht sehen wir uns bald einmal wieder«, lächelte sie, wandte sich- dann an Nicole. »Das gilt selbstverständlich auch für Sie!«
Sie trat einige Schritte zurück und überließ das Feld Edouard Rivette.
»Ich stehe ihnen selbstverständlich zur Verfügung«, meinte der Kastellan zu Priol, »falls Sie noch irgendwelche Fragen haben sollten. Ich hoffe nur, daß es Ihnen gelingen wird, das Verschwinden der beiden und den Tod des Polizisten aufzuklären.«
Priol sagte nichts, nickte nur und wandte sich dem Ausgang zu. Draußen stand der Einbeinige und klapperte mit den Schlüsseln.
»Verdammt!« fluchte der Kommissar, als das Tor hinter ihnen zufiel und abgeschlossen wurde. »Fehlanzeige!«
»Na ja, Sie haben ja auch nicht lange gesucht, wie mir scheint«, meinte Professor Zamorra.
»Sie haben gut reden, Monsieur! Um das Schloß eingehend zu durchsuchen, brauchen zehn Mann mindestens einen ganzen Tag. Ich hab’s aufgegeben. Außerdem - wenn dieser Rivette irgend etwas zu verbergen hat, hat er meiner Ansicht nach Möglichkeiten genug! Und ich bin davon überzeugt, daß wir nichts finden würden. Wenn, wohlgemerkt, wenn es so wäre. Verraten Sie mir doch mal, was ich suchen soll! Dämonen, Trolle, Vampire, Geister, Untote? Ihrer Ansicht nach waren Mächte der Finsternis am Werk, also - wie soll ich die finden?« Sein Ton wurde noch sarkastischer. »Geister haben die Möglichkeit, sich unsichtbar zu machen. Und…« Zamorra unterbrach ihn.
»Sie sollten nicht spotten, sondern sich gelegentlich mit einem Parapsychologen unterhalten. Daß man andernorts anders als Sie denkt, beweist die Tatsache, daß die Sûreté, Scotland Yard und sogar das FBI eingehende Gespräche mit solchen Wissenschaftlern geführt haben und noch pflegen!«
Priol stieg in den Wagen. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Ausgerechnet die Sûreté, der Yard und das FBI! Humbug! Ach ja, diese Martine
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