Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

Titel: 0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ernst Fackenheim
Vom Netzwerk:
nahm die Hände hoch und ging folgsam voraus durch die Diele und ins Zimmer, wo ich ihn mit einen gelinden Schubs an die Wand bugsierte. Merkwürdigerweise hatte er keine Pistole. Ich ging ans Telefon, rief das Office an und bat, ein paar Boys zu schicken, die den Halunken in Verwahrung nehmen sollten.
    Im Haus war es inzwischen lebendig geworden, und vor unserer Tür hatte sich schon ein Haufen neugieriger Zeitgenossen eingefunden.
    »Nichts zu machen«, sagte ich und schlug ihnen die Tür vor der Nase zu.
    Dann widmete ich mich unserem Gefangenen.
    »Wer hat dich geschickt?«, fuhr ich ihn an.
    Man hätte meinen können, er hätte mich nicht gehört, so dumm guckte er aus der Wäsche. Ich versuchte auf alle mögliche Art ihn zum Reden zu bringen. Aber es nutzte nichts. Er stand wie eine Salzsäule und schien eine mörderische Angst zu haben.
    Meine Bemühungen wurden unterbrochen. Es klingelte und klopfte energisch, ein paar Cops kamen, von den Hausbewohnern alarmiert, mit gezogenen Pistolen und schlenkernden Gummiknüppeln hereinstolziert. Es kostete mich einige Mühe, bis ich sie davon überzeugt hatte, dass wir auf ihre Dienste verzichteten. Sie waren ein wenig beleidigt, als sie abzogen.
    Zehn Minuten später erschienen unsere Boys. Zu meiner größten Überraschung war es der alte Neville, der sie anführte. Er strahlte vor Freude wie ein Honigkuchenpferd.
    »Ich war noch da, Jerry, als der Anruf kam. Man wollte dir wohl das Fell über die Ohren ziehen, aber du scheinst ja noch ganz zu sein.« Er griff nach meinem Ärmel und prüfte sachverständig den Riss den die Kugel verursacht hatte. »Kinder und Betrunkene haben einen Schutzengel.« Dann drehte er sich nach dem Gangster um, der immer noch an der Wand stand.
    Er runzelte die Stirn, zog die Brauen zusammen, trat zwei Schritte zurück und brummte.
    »Das Gesicht müsste ich doch kennen…« dann glitt ein Erinnern über seine Züge. »Großer Gott. Fred Norris ist wieder im Land.«
    Der Name sprang auf mich über wie ein elektrischer Funke. Fred Norris hatte der Bursche am Telefon gesagt, Fred Norris sollte ich fragen, wenn ich etwas über den Mord an Rovelli erfahren wollte. Ich packte Neville am Arm, um ihn nach draußen zu ziehen.
    »Wenn es etwas betrifft, was meinen alten Freund angeht, so kannst du ruhig laut reden. Er versteht kein Wort. Er ist stumm und taub. Er hat auch den großen Vorteil, dass er nicht schreiben kann. Wir haben uns früher schon Mühe mit ihm gegeben. Wir mussten ihn immer wieder laufen lassen, denn es war unmöglich, ihn zu vernehmen, allerdings haben wir ihn nie so herrlich erwischt, wie du heute.«
    »Er muss doch irgendetwas können«, widersprach ich verzweifelt. »Leute, die taub sind, lesen anderen vom Mund ab, und wer nicht reden kann, spricht mit den Händen.«
    »Zum Ablesen ist er bestimmt zu dumm, und seine Fingersprache versteht nicht einmal ein Experte. Du kannst ihm nur ein Messer in die Hand geben und dahin zeigen, wo er es gebrauchen soll. Das versteht der Kerl.«
    Da war nichts zu machen, wenigstens vorläufig. Ich ließ den Kleiderschrank in-Verwahrung nehmen, und unsere Boys rückten ab mit Ausnahme von Neville, der den gedeckten Tisch gesehen und den Duft des Schinkens und des Spargels gewittert hatte. Wir tafelten also zu dritt, räumten gemeinsam das Geschirr ab und stellten die immer noch halb volle Flasche zwischen uns.
    »Ich möchte wissen, wem ich diesen Scherz zu verdanken habe«, meinte ich.
    »Dass ist kein Rätsel«, behauptete Neville. »Deine eigene Dummheit ist schuld daran. Hast du die Abendblätter schon gelesen, und die Durchsage im Radio gehört? ›G-man Cotton hat von der ermordeten Jane Neal Informationen bekommen, die genügen, um Rovellis Mörder auf den Stuhl zu bringen‹, kannst du überall lesen und hören. Dazu kommt noch die Prügelei, die du gestern in der Palmtree Bar gehabt hast. Auch das ist schon bekannt. Denkst du, die Mobster, die dahinter stecken, warten solange, bis du sie am Kanthaken hast? Mein lieber Junge, du hast keine Ahnung. Wenn du solche Witze vor dreißig Jahren gemacht hättest, wärest du schon lange tot.«
    »Hast du wenigstens gesehen, wie dieser angebliche Eilbote aussah?«, fragte mich Phil.
    »Nur undeutlich. Wer achtet schon auf einen Eilboten. Er war groß und hellblond. Als er vor der Tür stand war sein Gesicht im Schatten. Ich glaube nicht, dass ich ihn wiedererkenne, wenn er mir auf der Straße begegnet.«
    »Genauso geht es mir«, seufzte Phil.

Weitere Kostenlose Bücher