0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett
vielleicht hängt dieser Mord mit dem Job zusammen, den er dir gab. Du musst uns unbedingt eine genauere Beschreibung des blonden Mannes geben.«
»Er hatte gar nichts Besonderes an sich. Nur dass er einen teuren Anzug trug, fiel mir auf«, stotterte er ratlos.
»Höre, Enrico«, sagte ich, »es wäre nicht gut für dich, wenn wir dich jetzt gehen ließen. Es ist möglich, dass der Mörder des Mädchens derselbe ist wie der Pete Rovellis, und dann würde er dafür sogen, dass du ihn nicht wieder erkennst. Ich glaube, es wird am besten sein, wenn der Lieutenant dich für ein paar Tage in Schutzhaft nimmt.«
Tullio ließ den Kopf hängen, und dann wischte er sich mit dem Handrücken über die Augen.
»Schade um Pete. Hatte ich verdammt gem. Er war der Einzige, der mich auf ehrliche Art etwas verdienen ließ.«
»Wo ist das Mädchen?«, fragte ich Crosswing.
»Im Leichenschauhaus. Wir sind nur noch einmal zurückgekommen, um seine Sachen abzuholen und das Zimmer zu durchsuchen, aber wir haben nichts gefunden als ein paar Papiere und Postkarten von ihrer Mutter, aus denen man nicht das Geringste ersehen kann. Übrigens wohnt sie in Mendota, also nur einen Katzensprung von hier. Sie war nur vorübergehend in New-York. Was sie hier trieb, war nicht daraus zu ersehen.«
»Jedenfalls etwas, das sie das Leben kostete«, knurrte Phil, »ich möchte liebend gern wissen, was es war.«
»Wollen Sie sie sehen?«, fragte Crosswing.
Es ist kein reines Vergnügen im Leichenschauhaus spazieren zu gehen, aber ich interessierte mich dafür, wie die Frau aussah, die Pete hatte beschatten lassen.
Nicht lange darauf schlug der Schauhauswärter das Laken vom Gesicht der Toten zurück. Sie war ein bildschönes Mädchen gewesen. Sie hatte die braune Hautfarbe einer Südamerikanerin und schwarzes, lockiges Haar. Ihre Augen waren geschlossen, aber ich konnte mir vorstellen, dass sie groß, schwarz und ausdrucksvoll gewesen waren. Ich hatte sie noch niemals vorher gesehen.
In der Höhe des Herzens war die tödliche Wunde, die von einem Messerstich herrühren musste.
Ich musste an die boshafte Unkerei des alten Neville denken, der mir noch ein paar Leichen an den Hals gewünscht hatte. Schließlich aber war es nicht meine Leiche. Es gab keinen Zusammenhang zwischen dem Mord an Pete und Jane und den an Carmen Rodriguez. Wahrscheinlich hatte es sich um etwas ganz anderes gehandelt. Es sah eher aus wie ein Verbrechen aus Eifersucht. Vielleicht auch hatte sie früher einmal ein Verhältnis mit dem blonden Mann gehabt, und war nach New York gekommen, um ihn zu erpressen. Vielleicht auch wollte sie ihn zwingen, sie zu heiraten. Mädchen ihrer Herkunft haben in dieser Beziehung ungewöhnliche Ehrbegriffe.
»Auf alle Fälle kann ich jetzt für den alten Tullio bürgen. Diesen Mord hat er nicht auf dem Gewissen«, meinte ich.
Als wir in das Office zurückkamen war Besuch für mich angekommen. Milly Rovelli wartete auf mich. Sie hatte sich anscheinend wieder gefangen und sah in ihrem überaus schicken, schwarzen Kleidchen glänzend aus.
»Ich wollte Ihnen einmal guten Tag sagen, Jerry, und mich erkundigen, ob Sie schon etwas herausgefunden haben.«
»Leider noch sehr wenig, Milly, aber da Sie jetzt wieder auf dem Damm zu sein scheinen, habe ich immer noch die stille Hoffnung, dass Sie uns helfen können. Hat Pete Ihnen in den Tagen vor seinem Tod nichts anvertraut oder eine Bemerkung über die Fälle gemacht, die er bearbeitete?«
»Ich habe Pete über eine Woche nicht gesehen.« Sie schüttelte ihr Lockenköpfchen. »Er war überhaupt böse mit mir. Er nahm es mir übel, dass ich mich gerne ein bisschen amüsiere, aber was hat ein Mädel schon von seinem Leben, wenn es nicht von Zeit zu Zeit einmal über die Stränge haut? Ich bin nun einmal kein Kind von Traurigkeit.«
»Das merke ich«, sagte ich etwas eigenartig gerührt. »Was macht die Arbeit?«
»Ich habe mir eine Woche freigeben lassen. Allerdings muss ich hier und da einmal in den Betrieb. Mr. Hunt kann nicht ohne mich auskommen.« Sie lächelte selbstgefällig.
»Ich dachte, Mrs. Hall sei seine Partnerin, ohne die er nicht auskommen könne«, stichelte ich.
»Och die. Was die kann, kann ich schon lange«, sagte sie geringschätzig.
»Es sieht aber so aus, als ob Pete sich Sorgen um Sie gemacht hätte. Er bat mich noch gerade, bevor er starb mich Ihrer anzunehmen. Wissen Sie vielleicht, was er damit meinte?«
»Pete machte sich immer Sorgen um mich. Ich glaube, er hatte
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