0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett
ihm tatsächlich einen Auftrag erteilt, aber Tullio war bestimmt nicht der Mann, der einen Mord beging. Nim, wir würden ja sehen. Ich sagte Phil Bescheid, und wir machten, dass wir wegkamen.
Das Hotel war nicht besser und nicht schlechter, als man es in dieser Gegend erwarten kann. Crosswing wartete schon auf uns.
»Ein Mädchen wurde hier in seinem Zimmer erstochen und zwar heute Nacht zwischen 4 und 5 Uhr. Ein Hotelgast, dem die geöffnete Tür auffiel, fand es unmittelbar danach und stellte einen Mann, der sich auf dem Korridor herumtrieb. Er heißt Enrico Tullio und behauptete, Pete Rovelli habe ihn auf die Kleine angesetzt. Er solle beobachten, wer sie besuche und mit wem sie weggehe. Kennen Sie den Kerl?«
»Und ob ich ihn kenne. Wo haben Sie ihn?«
»Hier im Haus. Ich habe ihn mit hierher genommen um ihn mit dem Gast und dem Portier zu konfrontieren. Wollen sie ihn sehen?«
»Selbstverständlich.«
Tullio war ein kleiner, alter und schwieriger Bursche von vielleicht 50 Jahren. Seine Haare waren geölt, das Gesicht gelb und die Äuglein wieselflink.
»Mr. Cotton«, überfiel er mich sofort, »Sie kennen mich doch. Sie wissen doch, dass ich für Pete arbeite. Ich habe nichts Schlechtes getan. Sagen Sie den Cops, sie sollen mich loslassen.«
»Erzählen Sie erst, wie Sie hierher kommen.«
»Vorgestern, es kann auch einen Tag früher gewesen sein, sagte Pete zu mir, in diesem Hotel wohne ein Mädchen aus Puerto Rico. Er gab mir ein Bild - die Cops haben es mir weggenommen - und sagte, es hieße Carmen Rodriguez. Ich sollte genau Acht geben, mit wem es sich traf und mit wem es vielleicht aus dem Hotel wegging. Er gab mir 50 Dollar und heute Abend soll ich ihn wieder treffen und ihm berichten.«
»Was haben Sie die ganze Zeit über gemacht?«, fragte ich ihn.
Er redete so, als ob Pete noch am Leben wäre. Schauspielerte er vielleicht?
»Ich bin ihr nicht von der Pelle gegangen. Zweimal bekam sie Besuch von einem Mann, mit dem sie in die Bar gegenüber ging. Ich versuchte ihr Gespräch zu belauschen, aber sie flüsterten so leise, das sich nichts verstehen konnte. Heute Nacht kam derselbe Kavalier wieder, aber er meldete sich nicht beim Portier, der übrigens schlief, und schlich die Treppe hinauf. Nachdem ich einige Zeit gewartet hatte, kam mir die Sache Spanisch vor, und ich tat das Gleiche. Ich hatte mir inzwischen von dem Hausdiener, einem Landsmann, die Zimmernummer besorgt und wusste Bescheid. Von weitem sah ich, dass sie Licht hatte. Dann ging dieses plötzlich aus, jemand huschte im Dunkeln auf mich zu, gab mir einen Stoß in die Rippen und flitzte die Treppe hinunter. Als er durch die Halle lief, sah ich, dass es derselbe Kerl wie vorher war. Ich wollte in das Zimmer sehen, dessen Tür immer noch offen stand, musste mich aber verstecken, weil ein Gast heraufkäm. Der fand dann das Mädchen und machte ein gewaltiges Theater. Natürlich wollte ich nicht gefunden werden und verbarg mich auf der Toilette, bis ich glaubte, die Luft wäre wieder rein. Darin hatte ich mich getäuscht, und so wurde ich geschnappt.«
»Glauben Sie das?«, fragte der Lieutenant skeptisch.
Ich ignorierte ihn.
»Wie sah der Mann aus, der aus dem Zimmer des Mädchens kam?«
»Ein großer Blonder, gut angezogen. Aber Sie werden doch jetzt den Cops sagen, sie sollen mich laufen lassen? Ich habe doch wirklich nichts getan. Fragen Sie doch Pete. Ich hab’ dass dem Lieutenant auch schon gesagt, aber er will nicht.«
»Hast du eigentlich in den letzten Tagen Zeitungen gelesen, oder Rundfunk gehört?«, fragte ich.
»Ich lese nie Zeitungen, und Rundfunk ist mir ein Gräuel. Die schreiben und reden doch nur Unsinn. Das ist nicht anders als Opium fürs Volk. Mich kriegen sie damit nicht.«
»Du weißt also nicht, was mit Pete los ist?«
»Nein, wie sollte ich? Wir wollen uns ja erst heute Abend wieder treffen, und ich habe mich hier nicht weggetraut.«
»Wo hast du denn geschlafen?«
»Geschlafen? Wenn ich einen Auftrag habe, dann schlafe ich nicht. Manchmal machte ich drüben im Hausflur ein Nickerchen im Stehen.«
»Pete kann dem Lieutenant nichts mehr bestätigen. Pete ist tot«, sagte ich und behielt den Alten scharf im Auge.
Zwar wusste ich genau, dass er Rovelli hündisch ergeben gewesen war. Aber die Gefühle eines Italieners können sich von einer Sekunde auf die andere ändern.
»Pete ist tot?« Sein gelbes Gesicht war aschfahl, seine schwarzen Augen wurden groß und stumpf.
»Ja, er wurde ermordet und
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