0105 - Keine Spur von Mister High
organisiert. Und wie sieht es mit der zweiten Möglichkeit aus?«
»Für den Fall, dass Marley tatsächlich das Geld aus dem Fenster werfen muss?«
»Ja.«
»Ich habe genaue Generalstabskarten des ganzen Gebietes besorgt. Wir werden auf beiden Seiten der Eisenbahn mit insgesamt zweihundertneunundsechzig verschieden getarnten Fahrzeugen sämtliche Straßen abfahren, die neben der Eisenbahn herführen. Außerdem können wir vierhundert Polizisten in Zivil an besonders markante Punkte verteilen. Etwa in Kornfelder, hinter Büsche, in Scheunen und so weiter.«
»Das muss aber im Einzelnen noch ausgearbeitet werden?«
Phil seufzte.
***
Es war Sonntagmorgen gegen elf Uhr, als Mister High eine günstige Gelegenheit benutzte und aus der Irrenanstalt ausbrach. Stundenlang hatte er unaufhörlich gerufen, es müsse ein Irrtum sein, sein Name sei John D. High, aber niemand hatte sich um ihn gekümmert. Und als er gar behauptete, der Distriktchef des FBI New York zu sein, da hatten die beiden Wärter, die es hörten, nur schallend gelacht. Ein hohes Tier vom FBI und nicht einmal ein Jackett! Wo denn sein Dienstausweis sei? Ob man sich vielleicht beim FBI nicht rasierte?
Vormittags hatte man die Kranken gruppenweise in den Hof und in den Garten gelassen, und dort hatte Mister High eine schadhafte Hecke entdeckt. In einem günstigen Augenblick huschte er hindurch und kam direkt auf ein angrenzendes Weizenfeld. Es stand in voller Reife, und Mister High durchquerte es. Nach einem langen Marsch quer durch das Getreide kam er auf eine Landstraße zweiter oder dritter Ordnung, die kaum befahren war.
Nach einem Marsch von fast zwei Stunden sah er vor sich die Dächer einer kleinen Ortschaft, die nur aus ganz wenigen Häusern bestand.
Erschöpft legte er sich am Rande einer Wiese nieder, gedeckt von einer kleinen Buschgruppe, die an einem Weiher wuchs.
Er versuchte, seine Chancen nüchtern zu überlegen. Ohne Auto und ohne Kleidung war er bald geliefert. Man hatte ihm ja gewaltsam die Anstaltskleidung des Irrenhauses aufgenötigt. Wenn er noch zu dem Jagdhaus kommen wollte, in dem der entführte Junge versteckt wurde, musste er sich einen Wagen und andere Kleidung beschaffen. Und er musste zu diesem Jagdhaus, denn er war der einzige, der wusste, dass darin der entführte Junge zu finden sei. Wenn er Geld gehabt hätte, würde er versucht haben, uns anzurufen. Aber er besaß kein Geld.
Nachdem er sich etwas erholt hatte, schlich er von hinten auf die Häuser der Ortschaft zu. Zuerst kam er an die Rückfront eines Farmhauses. Als er einen vorsichtigen Blick durch eines der Fenster warf, sah er die Farmerfamilie am Mittagstisch sitzen. Drei kräftige Männer, zwei Frauen und vier Kinder saßen um einen langen Tisch. Hier konnte er nichts ausrichten. Dass man einem nicht glauben würde, der die Tracht einer Irrenanstalt trug, lag auf der Hand.
Er schlich weiter bis zum nächsten .Haus. An der Seite war ein Schild angebracht mit der Aufschrift Landpolizeiposten.
Mister High zögerte einen Augenblick. Dann schlich er näher. Ein herumliegender, abgebrochener Wäschepfahl kam ihm gerade richtig. Er nahm ihn fest in die Hand und huschte zur Tür. Die Landpolizeiposten bestehen meistens nur aus einem Mann, und das wollte er sich zunutze machen. Weiter vorn, zur Straße hin, sah er den Dienstwagen des Postens.
Er kam ungesehen bis an die Tür. Entschlossen drückte er den Klingelknopf nieder und ging im Winkel der Hauswand in Deckung.
Von drinnen schlurften Schritte heran. Er fasste den Knüppel fester. Die Tür wurde geöffnet, und eine gemütliche Stimme brummte: »Was ist de - nanu? Es hat doch geklingelt?«
Neben ihm machte ein Polizist ein paar Schritte zur Tür heraus und wandte Mister High, der mit der Schulter am Haus lehnte, den Rücken zu. Er holte aus und schlug den Ahnungslosen, so behutsam wie möglich, mit dem Knüppel nieder.
Lautlos brach der Uniformierte zusammen. Mister High huschte ins Haus. Das Dienstzimmer stand offen. Sonst war niemand zu sehen. Rechts befand sich eine Zelle, sie war aber leer.
Die Gelegenheit war günstig. Mister High schleppte den Bewusstlosen ins Haus. Er schloss die Tür von innen ab, um sich gegen unerwünschte Störungen zu schützen. Dann machte er sich eilig ‘daran, den Polizisten zu entkleiden. Er zog die rauen Sachen der Anstalt aus und legte die Uniform an. Auch den Gürtel mit der Pistole schnallte er sich um.
Wenige Minuten später war er bereits unterwegs. Vorsichtshalber
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