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0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

Titel: 0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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noch einen bösen Blick anhängen, da sie weder schielte noch war ihr Blick besonders stechend. Auch Warzen hatte Madame Banoli nicht anzubieten. Da verstummten denn die größten Schandmäuler.
    Ihr Treiben in der Hütte jedenfalls nährte gewisse Verdachtsmomente. Zumal sie nur selten ihr Heim verließ. Sie hatte eine ungesunde Gesichtsfarbe und Schatten unter den Augen, da sie häufig an Schlaflosigkeit litt. Ihre Äcker hatte sie samt und sonders veräußert. Daß schon vorher nicht allzuviel darauf gediehen war, vergaßen die neuen Besitzer sehr schnell, als sich erste Mißernten einstellten. Man sprach von Hexerei und nahm eine drohende Haltung ein. Nur dem energischen Eintreten des Abbé war es zu verdanken, daß es nicht zu Tätlichkeiten kam Und einer mißliebigen Person den roten Hahn aufs Dach zu setzen - dazu waren die Bauern von Mazamet alle Zeit bereit. Wie sonst konnte man heute, da es keinen Acht und Bann mehr gab und auch die Inquisition nicht mehr das war, was sie einmal bedeutete, jemanden aus der Gemeinschaft treiben?
    So schlugen denn alle Spannungen und Abneigungen, an denen die fleißigen Kirchgängerin ziemlich unschuldig war, mit aller Wucht in der Stunde der Gefahr auf sie selbst zurück. Sie hockte verloren, die Brille auf der Nasenspitze und die Hände um die Bibel gekrampft, in ihrer Wohnküche und erwartete das Schlimmste.
    Der Wind strich ums Haus. Er pfiff zwischen Balken, raschelte im Strohdach und winselte im Kamin. Laute, die es einem für gewöhnlich gemütlich sein ließen am heimischen Herd. In einer solchen Nacht aber, mit dieser Drohung über dem Haupt, gewannen die Dinge ein gespenstisches Eigenleben.
    War das noch der Wind, der den Riegel klirren ließ, oder bereits der Scharfrichter von Mazamet, der gekommen war, um blutige Rache zu üben und Vergeltung.
    Die Fensterläden klapperten und knarrten. Nichts an dieser Bruchbude war in Ordnung. Es gab keinen ungeeigneteren Ort in ganz Mazamet, um das Erscheinen übernatürlicher Dinge zu erwarten.
    So klapperten der armen Frau bald die Zähne. Nicht, weil sie fror. Der Raum war überheizt. Die Wärme machte selbst die Katze am Herd schläfrig. Madame Banoli schwitzte. Aber es war kalter Angstschweiß, der die Stirn bedeckte und ihre Hände glitschig werden liß.
    Um so mehr, als die Katze plötzlich lebhaft wurde. Sie fegte hoch, machte einen Buckel und fauchte. Ihre Augen, im Halbdunkel der Herdecke waren wie zwei grünliche feuerspeiende Räder.
    Witwe Banoli fuhr hoch.
    Sie horchte in die Nacht.
    Und während sie mit bebender Hand das Kreuzzeichen schlug, hörte sie schwere Schritte. Da wußte sie, daß das Ende nahte, und las mit zitternder Stimme einen Bibelvers, während sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten. Nun ist die Bibel nicht in allen Punkten ein erbauliches und aufmunterndes Buch, und sie hatte just einen Psalm erwischt, der eine Apokalypse schilderte und androhte. Unter diesen Umständen eine gänzlich ungeeignete Lektüre für eine vierundfünfzigjährige Frau, die allein in einem einsamen Haus auf ein Gespenst wartete. Noch dazu in einer so unruhigen Nacht.
    Da! Deutlich rüttelte jemand an der verschlossenen Tür! Kein Zweifel! Da begehrte mehr Einlaß als nur der leere Wind!
    Madame Banoli ging in die Knie. Sie rang die Hände und starrte wie gebannt auf die Tür, hinter der sie sich aufhielt. Einen Augenblick verschwamm ihr alles vor den Augen und sie sah, was sie sehen wollte: die Türklinke wurde sachte, fast behutsam nach unten gedrückt.
    Ein merkwürdiges Verhalten für einen Scharfrichter, der es gewöhnt ist, energisch und resolut aufzutreten, um sein eigenes Entsetzen vor dem blutigen Handwerk hinter forschem Benehmen zu verstecken.
    Zudem sollte der Scharfrichter von Mazamet die für Spukgestalten nicht ungewöhnliche und fast schon unentbehrliche Gabe besitzen, durch Wände und Mauern zu spazieren.
    Warum also sollte er sich mit einem Riegel abmühen?
    Madame Banoli befand sich vor Angst aber bereits jenseits von Logik und kalter Verstandespracht. Ihr schrecklicher Verdacht wurde noch gefördert durch das erschreckte Lärmen des Hühnervolkes in der Diele. Das Federvieh gackerte und schrie, als sei das letzte Stündlein angebrochen. Dazwischen meckerten hektisch und aufgeregt die Ziegen. Und Madame Banoli kannte sie alle bei Namen. Sie konnte mühelos die verschiedenen Stimmen auseinanderhalten. Und wenn Marthe, das geduldigste und treueste Tier weit und breit, so jämmerlich klagte,

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