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0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

Titel: 0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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Gefahr.
    Zamorra glitt von seinem hohen Sitz mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung. Lapins Stoß ging ins Leere.
    Der Abbé taumelte und wäre selbst in den Brunnen gestürzt, hätte Zamorra ihn nicht behutsam gestoppt, ihn aufgefangen. Gleichzeitig sprach er beruhigend auf den Verwirrten ein.
    Lapin erwachte wie aus einer Vollnarkose.
    »Wo bin ich? Was mache ich?« stammelte er.
    Nicole wollte es ihm entgegenschreien, aber Zamorra schüttelte stumm und begütigend den Kopf.
    »Es hätte wirklich keinen Zweck«, meinte er nur.
    Gelassen führte er Lapin ins Haus.
    »Ich werde ihn in einen Tiefschlaf versetzen«, meinte der Professor. »Er ist zu sensibel. Houdain würde ihn immer wieder unter Kontrolle bringen und ihn mißbrauchen. Deshalb lege ich ihn gewissermaßen auf Eis.«
    Zamorra befahl dem Abbé, sich auf das Bett zu legen. Dann sorgte er dafür, daß die Hände des Mediums eng am Körper lagen und kümmerte sich um die richtige Beinlage. Dann führte er rasch ein paar magische Striche an den Schläfen aus. Abbé Lapin schien angenehme Träume zu haben. Er lächelte sogar still vergnügt vor sich hin…
    ***
    Houdain verzichtete diesmal auf jede Tarnung. Er gab sein Doppelspiel auf. Er trug einen schwarzen Umhang und einen breitkrempigen Hut. Aber an seiner Art, sich zu bewegen, konnte ihn jeder erkennen, der ihm nur einmal begegnet war. Houdain hatte die geschmeidigen Bewegungen eines Raubtiers, das auf Beute ausgeht.
    Er huschte über den Friedhof.
    Der Nachtwind bauschte die Schöße der Pelerine. Einen Augenblick erinnerte der Magier an eine Fledermaus.
    Irgendwo schrie ein Nachtvogel.
    Zielsicher steuerte Houdain ein bestimmtes Grab an.
    Er setzte sich auf den Erdhügel, der von ein paar kümmerlichen, längst vertrockneten Blumen geziert wurde. Wildkaninchen hatten die Blüten abgefressen. Zwischen den Steinplatten wucherte Gras und allerlei Unkraut, verstärkte den Eindruck der Vernachlässigung.
    Die Inschrift des billigen Steines war kaum zu entziffern. Regen hatte die Buchstaben ausgewaschen und grüne Algen wucherten in den Rillen. Man mußte schon scharfe Augen haben, um entziffern zu können, daß hier die Mutter Houdains bestattet war. Nur Geburtsdatum und Todestag waren angegeben. Kein »Ruhe in Frieden«.
    Robert Houdain hatte früher oft hier gesessen, von einer merkwürdigen Haßliebe bewegt. Er konnte es seiner Mutter nicht verzeihen, daß sie ihn allein gelassen hatte in der feindlichen Welt eines Dorfes wie Mazamet. Andererseits bedauerte er sie. Sie hatte seinetwegen solange durchgehalten. Und sich erst selbst getötet, nachdem er aus dem Gröbsten heraus war. Sie hatte ihn niemals um etwas gebeten, aber damals war ihm gewesen, als habe sie ihm ihr Vermächtnis aus dem Grab heraus zugerufen: »Räche mich!«
    Sie hatte sich nie wehren können. Sie hatte Unrecht erduldet, ohne zu protestieren. Wohlverhalten gezeigt, wo Angriff besser gewesen wäre.
    »Ich mache es besser«, flüsterte Houdain.
    Er konzentrierte sich. Über seiner Nasenwurzel entstand eine steile Falte. Seine Gesichtszüge verhärteten. Wirkten schließlich wie aus Stein gemeißelt und unterschieden sich in der Farbe kaum noch von den Grabkreuzen.
    In einer fremden Sprache murmelte Houdain seine Beschwörungen. Sein Geist suchte und fand den Alten vom Berg, diesen Teufel aller Teufel, der in einer fast unzugänglichen Berghöhle in Persien seit Menschengedenken lebte und seinen Schülern das Brevier des Bösen las. Sobald er sich für würdig erachtete, sie aufnahm in den Kreis derer, die Schwarze Magie beherrschen und sich feierlich verpflichten müssen, keine Mühe zu scheuen, anderen Verderben zu bringen. Ein Gelöbnis, das niemandem leichter über die Lippen gegangen war als Robert Houdain. Genau das hatte er stets vorgehabt. Nur hatten ihm die Fähigkeiten und die Mittel gefehlt, seine Rachepläne in die Tat umzusetzen.
    Jetzt war endlich die Stunde der Vergeltung gekommen.
    Robert Houdain wußte sehr wohl, daß diese Nacht die Entscheidung fiel. Zamorra saß ihm hart auf den Fersen. Nicht einmal der Mordanschlag des Abbé war geglückt, ein Angriff aus einer Richtung, aus der der Professor sicher am wenigsten erwartet hatte, daß ihm Gefahr drohte.
    Houdain wiegte den Oberkörper im Takt, als sei er zurückgekehrt in den Leib seiner Mutter. Dabei murmelte er wieder und wieder die Formeln der Invokation.
    Und langsam teilte sich das Erdreich.
    Der Henker von Mazamet erschien. Wühlte sich aus seinem Versteck,

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