0106 - Der Komet aus der Hölle
einen Bissen Fleisch anflehen. Ich muß meinem Körper Kräfte und Säfte zuführen, doch ich habe keinerlei Geschmack mehr und finde das Essen höchst langweilig. Nur wenn andere mir zusehen, Qualen des Hungers leiden und nach jedem Bissen gieren, den ich hinunterschlucke, bereitet es mir Vergnügen.«
Larissa Czerskaja schluchzte bitterlich. Nicole Duval sagte nichts mehr. Der Grausame Stenka beendete seine Mahlzeit, der Bucklige räumte ab, und dann verließen beide die Zelle. Nicole Duval und Larissa Czerskaja blieben in der Dunkelheit zurück.
Nicole wickelte sich in die fadenscheinigen Decken. Sie saß auf der Streu, mit dem Rücken gegen die Wand, und eine bittere Verzweiflung wollte sich ihrer bemächigen. Zamorra glaubte vermutlich, daß sie tot sei. Wie sollte er sie retten, wenn er nicht einmal wußte, daß sie noch lebte und ins 17. Jahrhundert verschlagen war?
Sie würde wohl elend verschmachten. Nur ein paar Tage blieben ihr noch bis zu einem grauenvollen Ende.
Da spürte sie etwas in ihrem Geist, fremde Gedanken, ein tastendes Suchen. Eine Stimme rief sie, die Stimme Zamorras. Freudige Erregung überkam Nicole, sie setzte sich gerade auf, ihre Ketten klirrten.
Zamorra! dachte sie. Ich bin in großer Not. Rette mich! Ich habe noch ein paar Tage Frist, aber ich leide Qualen!
Sekunden später brach der Kontakt ab, Nicole Duval hatte keine näheren Erläuterungen geben können. Sie wußte, daß Zamorra vermutlich keine Verbindung mehr zu ihr herstellen konnte. Einmal hatten die drängende Sorge um ihr Schicksal und ihr verzweifelter Wunsch, sich ihm mitzuteilen, die Barrieren überwunden.
Ein zweites Mal würde es kaum gelingen. Aber Zamorra wußte jetzt, daß Nicole Duval noch lebte. Er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie aus ihrer mißlichen Lage herauszuholen. Nicole war getröstet, sie hatte ein felsenfestes Vertrauen zu ihrem Freund und Chef.
Wenn einer sie retten konnte, dann Zamorra. Doch bald plagten die Ängste und Zweifel Nicole wieder. Zu groß waren die Widerstände, die Zamorra überwinden mußte, zu stark die Kräfte des Grausamen Stenka und des Satanskometen. Nicht einmal Zamorras Amulett nutzt gegen den letzteren.
Gab es eine Chance, oder war Nicole Duval einem grausamen Hungertod geweiht?
***
Der Morgen fand die Bewohner der Datscha in sehr bedrückter Stimmung. Nikolaj Kapnin und Jurij Techow bestürmten Zamorra, etwas zu unternehmen, um Svetlana Techowa vor dem Satanskometen zu retten.
Svetlana selbst gab sich noch am gefaßtesten, vielleicht aber auch nur, weil sie den Satanskometen nicht gesehen hatte. Die Seele des Stenka Badzak, die ein Teil der Hölle geworden war.
Helles Sonnenlicht fiel durch die Fenster des Speiseraums herein. Draußen erstreckte sich eine Schneelandschaft. Zamorra wußte von Nikolaj Kapnin, daß in manchen kalten Wintemächten Wölfe um die Datscha strichen.
Die Tscheka ermittelte wegen dem Auftauchen des Satanskometen und Nicole Duvals Verschwinden. Für den späten Vormittag war der Besuch eines Tscheka-Hauptmanns angesagt. Dr. Kapnin wurde als Mitglied des Obersten Sowjets wie ein rohes Ei behandelt, was auch Zamorra, Bill Fleming und den Techows zugute kam.
»Ich kann gar nichts ausrichten«, sagte Zamorra. »Jetzt noch nicht. Svetlana muß sich vor dem Satanskometen verstecken.«
»Soll sie sich vielleicht in die Erde verkriechen? Wie stellen Sie sich das denn vor?«
»Sie sind nahe dran, Jurij. Ich kann den Satanskometen weder mit meinem Amulett noch mit irgendwelchen Bannformeln von Ihrer Frau abhalten. Deshalb halte ich es für das beste, wenn Svetlana sich in ein Bergwerk zurückzieht. Sie muß bewacht werden, damit sie sich nicht in Trance selber ausliefert. Doch unter der Erde sollte ein Komet wohl nichts zu suchen haben.«
Der Major war sofort Feuer und Flamme für den Vorschlag und redete auf seinen Onkel ein. Zamorra hatte die Idee gerade erst am Frühstückstisch gehabt, sonst hätte èr sich früher geäußert. Auch Bill Fleming hielt es für einen guten Gedanken.
Dr. Kapnin stand auf.
»Das will ich sofort veranlassen. Haben Sie sonst noch etwas vor, Professor Zamorra?«
Zamorra erzählte von der Totenbeschwörung, die er mit dem mumifizierten Leichnam des Popen Boromir im Kiewer Höhlenkloster vornehmen wollte. Nikolaj Kapnin winkte ab, er schüttelte den Kopf.
»Das geht doch wohl zu weit, Towaritsch. Was versprechen Sie sich von einem solchen Mummenschanz?«
»Die Rettung Nicole Duvals sowie die
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