0106 - Der Komet aus der Hölle
schwirrte der Kopf.
»Aber warum hat der Satanskomet sich gerade auf mich gestürzt und mich in diese Zeit versetzt?« fragte sie. »Weshalb ich?«
»Weil Sie mir ähnlich sehen, Mademoiselle. Stenka Badzak hat auf der Richtplattform grausame Rache geschworen, nicht nur mir, die ihn verriet und auslieferte, sondern allen seinen Feinden und sogar sämtlichen Frauen und Mädchen, die ihn vom Aussehen her an mich erinnern. Er haßt alles Gute, in Ihnen hat seine höllische Seele eine besondere Feindin erkannt, deshalb sind Sie hier bei mir in der Zelle.«
»Ich soll Ihnen ähnlich sehen?« Nicole war erstaunt. »Aber das ist doch Unsinn.«
Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Larissa Czerskaja war ja nicht immer so abgemagert, verwahrlost und entstellt gewesen. Man hatte sie eine strahlende Schönheit genannt. Vom Typ her mußte sie Nicole Duval ohne Zweifel geglichen haben. Nicole fror innerlich, als sie daran dachte, was nach einiger Zeit in dieser Zelle von ihrer Schönheit übrigbleiben würde.
»Er läßt Sie hungern?« fragte sie Larissa Czerskaja.
Doch diese dämmerte vor sich hin und sagte nichts. Nach Einbruch der Dunkelheit merkte Nicole Duval, wie grausam Stenka Badzak seine bevorzugten Gefangenen quälte.
Der Bucklige schloß die Zelle auf, zwei Kosaken brachten einen kleinen Tisch und einen Stuhl. Kurz darauf kehrten sie mit zwei Tabletts zurück, auf denen je ein silberner Warmhaltebehälter stand, und mit einer Flasche Wodka.
Der Bucklige rückte alles zurecht, überprüfte, ob die Laterne genügend öl hatte, und stellte sich bereit. Bald trat der Grausame Stenka ein, nahm die Kosakenmütze ab und setzte sich den beiden angeketteten Frauen gegenüber.
»Du kannst servieren, Grigorij.«
Der bucklige Grigorij deckte die Platten auf. Ein verführerischer Duft, der zuvor schon zu spüren gewesen war, erfüllte sofort die ganze Zelle. Zuerst gab es eine Okroschka, eine Kwas-Suppe mit Fleischstücken. Danach gebratene Rebhühner und Galuschki, eine Mehlspeise mit Quark- oder Fleischfüllung, und schließlich als Nachtisch Apfelkompott.
Stenka Badzak hob den beiden Frauen die Wodkaflasche entgegen und prostete ihnen höhnisch zu.
»Nasdrowje, meine Zuckertäubchen. Ich hoffe, daß ihr vom Zusehen satt werdet.«
Er gurgelte Wodka hinunter und stürzte sich dann auf die Suppe, die er schmatzend aß. Dann stopfte er sich mit der Gier eines wilden Wolfes die Galuschki in den Mund und nagte die Rebhühner ab.
Nicole merkte jetzt, daß sie Hunger hatte. Aber das war noch gar nichts gegen die Pein Larissa Czerskajas. Seit vierzehn Tagen lebte sie nur von Wasser und ab und zu einem Stück trockenem Brot. Der Hunger quälte sie entsetzlich, und daß Stenka Badzak ihr die duftenden Speisen knapp außerhalb ihrer Reichweite hinstellte, war wahrhaft satanisch.
Schon der Geruch bedeutete eine Folter für die unglückliche Larissa. Den Grausamen Stenka aber essen zu sehen, die schlimmste aller Martern. Der dämonische Kosak erhob sich, riß ein Rebhuhnbeinchen ab und trat an die Gefesselte heran.
»Willst du das essen, Larissa, mein süßes Herzchen, Ljubjana, mein Liebling? Soll ich dir das geben, obwohl du mich schändlich verraten und ausgeliefert hast? Obwohl ich deinetwegen gefoltert und gepeitscht und geköpft wurde?«
Er hielt das Beinchen nur wenige Zentimeter vor Larissas ausgestreckte Hände. Sie zerrte an den Ketten.
»Gib es mir! Gib es mir, Stenka, ich flehe dich an, ich verhungere!«
»Das sollst du auch«, lachte der Grausame Stenka, nagte den Knochen ab und warf ihn auf die Platte. Er setzte sich wieder und trank einen großen Schluck Wodka. »Ich bin gespannt, wie lange du noch am Leben bleibst, schöne Larissa.«
»Ungeheuer!« schrie Nicole Duval. »Elender Dämon, aber das soll dir nicht unvergolten bleiben. Die Hölle wird dich verschlingen mitsamt deiner Seele, die jetzt schon ein Stück von ihr ist. Die Qualen, die du anderen zufügst und zugefügt hast, wirst du noch tausendfach mehr erleiden.«
»Schweig, ich bin ein Dämon, mich schützt der Teufel. Mir kann keiner etwas anhaben, diesen meinen Körper vermag weder eine Waffe noch das Feuer zu töten. Es wundert dich vielleicht, daß ich esse und trinke, aber das hat nichts zu besagen. Mein Körper braucht stoffliche Nahrung, ich muß sie ihm zuführen. Bei anderen Geistern und Dämonen mag es anders sein.«
»Verdammte Kreatur! Mich ekelt vor dir!«
»Wart es nur ab! Bald wirst auch du mich um ein Stück Brot oder
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