0107 - Die Geier und der Wertiger
sein unseliges Leben auszulöschen.
Dazu wollte er es nicht kommen lassen.
Ehe ich den Stecher meiner Waffe zum drittenmal durchziehen konnte, beförderte sich Malagu mit einem kraftvollen Satz aus meinem Schußfeld.
Er sprang über den Jeep.
Ich federte auf die Beine – und im selben Moment hätte ich allen Grund gehabt, an meinem Verstand zu zweifeln.
Vermutlich hätte ich das auch getan, wenn mir nicht bekannt gewesen wäre, was die Schwarzmagier alles zu tun imstande sind.
Schlagartig war es wieder taghell.
Der Jeep steckte in keinem Graben, sondern stand unbeschädigt am Straßenrand. Es gab keine Kratzspuren im Lack, und Malagu war verschwunden – als hätte es ihn nie gegeben.
Ihm war also bekannt, daß ich seinetwegen nach Bombay gekommen war, und er hatte versucht, mich zu beseitigen.
Beinahe hätte er dabei verdammt schlecht ausgesehen.
***
Ich war noch dabei, das Erlebte zu verarbeiten, da stoppte neben mir ein Polizeifahrzeug.
Ich dachte mir nichts dabei, schließlich bin ich selbst Polizeibeamter und habe im allgemeinen von Kollegen nichts zu befürchten.
Doch diesmal kam es zu einem ärgerlichen Mißverständnis, an dem auch ich ein gerüttelt Maß an Schuld hatte.
Immerhin stand ich mit einer Pistole in der Hand mitten auf der Straße.
Was sollten sich die indischen Kollegen dabei denken?
Ich bemerkte erst, daß ich die Beretta immer noch in der Faust hielt, als die beiden Polizisten aus ihrem Fahrzeug sprangen und mit ihren Dienstrevolvern auf mich zielten.
»Hände hoch!« riefen sie auf englisch, scharf, schneidend, aufgeregt.
Ich versuchte, sie mit einem Lächeln für mich zu gewinnen. »Ich bin kein Verbrecher.«
»Lassen Sie die Waffe fallen!« herrschten mich meine indischen Kollegen an.
»Hören Sie, ich bin Polizeibeamter wie Sie. Mein Name ist John Sinclair. Ich arbeite für Scotland Yard…«
»Ammenmärchen! Heben Sie endlich die Hände über den Kopf und lassen Sie die Waffe fallen!«
»Ich kann mich ausweisen. Ich bin Oberinspektor…«
»Zum letzten Mal…«
»Schon gut«, knirschte ich. »Ist ja schon gut!« Gereizt ließ ich die Beretta fallen.
»Sieh nach, ob er sonst noch Waffen bei sich trägt!« verlangte der Fahrer des Polizeiwagens.
»Umdrehen!« befahl mir sein Kollege. »Stützen Sie sich mit beiden Händen auf den Jeep und grätschen Sie die Beine. Wenn Sie wirklich Polizist sind, wissen Sie, wie das geht.«
Ich wollte die Beamten nicht verärgern, deshalb kam ich dem Befehl ohne Widerrede nach.
Nun, ich konnte beweisen, daß ich die Wahrheit gesagt hatte, und vertraute deshalb darauf, daß sich das Mißverständnis schnell aufklären würde.
Danach würden mir meine indischen Kollegen die Beretta zurückgeben und mich meine Fahrt nach Kanheri fortsetzen lassen.
Der Beamte filzte mich gewissenhaft. Er war dabei auf der Hut, damit ich ihn mit keinem Angriff überraschen konnte.
Doch ich hatte keine Veranlassung, ihn zu attackieren. Er tat schließlich nur seine Pflicht.
»Keine weitere Waffe«, sagte der Beamte zu seinem Kollegen.
»Was haben Sie erwartet?« fragte ich. »Daß ich auch noch eine Haubitze bei mir trage?«
Der Beamte nahm meine Beretta an sich.
»Darf ich mich umdrehen?« erkundigte ich mich.
»Ja. Aber machen Sie keine Dummheiten.«
Sie behielten mich im Auge.
»Was wollten Sie mit der Waffe, Oberinspektor ?« fragte der Fahrer.
Er betonte den Oberinspektor so sehr, weil er mich für einen Lügner hielt.
Ich berichtete meinen indischen Kollegen von Malagu, von der Luftspiegelung, was danach passiert war und daß sich der Greis in einen gefährlichen Wertiger verwandelt habe.
Sie glaubten mir kein Wort, und das ärgerte mich. »Wohin wollten Sie?« wurde ich gefragt.
»Nach Kanheri.«
»Das ist nicht die Straße nach Kanheri.«
»Malagu hat mich hergelockt.«
»Und wo ist Malagu jetzt?« fragte der Fahrer.
»Er hat sich aus dem Staub gemacht.«
»Ein gebrechlicher alter Greis.«
»Das war er, als ich ihn in Bombay in den Jeep steigen ließ. Hören Sie, ich habe es eilig. Ich muß so schnell wie möglich weiter.«
»Das schlagen Sie sich vorerst einmal aus dem Kopf, Oberinspektor !«
»Hören Sie bitte auf, mich so höhnisch Oberinspektor zu nennen!«
»Soll ich Ihnen sagen, wofür wir Sie halten? Sie könnten einer dieser gewissenlosen Rauschgiftgangster sein, die in Bombay ihr Unwesen treiben.«
»Das ist doch verrückt! Ich kann beweisen, daß ich ein Yard-Beamter bin! In meiner Brieftasche steckt ein
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