0107 - Die Geier und der Wertiger
rauszukommen.«
»Nichts ist mir im Moment wichtiger als das.«
»Es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, von hier wegzukommen.«
»Welche?« fragte ich sofort. »Besitzt du ein Feuerzeug?«
»Ja.«
»Wie wär’s, wenn wir einen kleinen Brand legten? Wir könnten die Matratzen anzünden. Wenn sie brennen, brüllen wir, daß die Wände wackeln, und wenn man uns dann aus der Zelle rausläßt, türmen wir im allgemeinen Durcheinander.«
Das war für mich keine Lösung meines Problems. Okay, ich wäre vielleicht aus dem Bau rausgekommen, hätte dann aber die Polizei auf den Fersen gehabt, die alles darangesetzt hätte, um mich wieder einzufangen.
Nein, über diese Brücke wollte ich nicht gehen.
»Was sagst du zu meinem Vorschlag?« erkundigte sich der Taschendieb.
»Ich halte nichts davon. Ich bin kein Brandstifter«, antwortete ich.
Außerdem konnte so etwas gefährlich werden. Wenn man unser Geschrei nicht ernst nahm, kamen wir womöglich in den Flammen um. Ich habe schon Tote nach Bränden gesehen. Kein schöner Anblick.
Nein, das Spiel mit dem Feuer kam für mich nicht in Frage. »Es würde klappen«, versuchte es der Taschendieb noch einmal.
»Schluß damit. Ich will es nicht!« Er verzog sich und ließ mich in Ruhe. Ich war ihm dankbar dafür.
Nachdenklich lehnte ich am Gitter der Zellentür.
Zur Abwechslung war ich mal nicht draußen, sondern drinnen.
Wenn das meine Kollegen vom Yard erfahren hätten, die hätten sich schiefgelacht. John Sinclair im Kittchen. Das war schon was Ulkiges.
Ich legte mein Gesicht an die Gitterstäbe und grübelte. Verflucht, wie sollte ich es schaffen, fortzukommen? Man ließ mich nicht telefonieren, sah in mir einen lügnerischen Schurken, der auf der Straße mit einer Beretta in der Hand aufgegriffen worden war.
Niemand war an der Wahrheit interessiert. Mir stieg plötzlich etwas in die Nase. Brandgeruch! Ich werde wahnsinnig! dachte ich.
Dieser verflixte Taschendieb hatte mir doch tatsächlich mein Feuerzeug geklaut und es dazu benützt, die strohgefüllte Matratze anzuzünden. Die Flammen fraßen sich sofort gierig weiter. »Feuer! Feuer!« schrie der Dieb. »Es brennt! Holt uns hier raus! Wollt ihr uns verbrennen lassen?« Ich packte die Matratze, riß sie von dem eisernen Bettgestell, warf sie auf den Boden und trampelte darauf herum.
Der Dieb schrie sich die Lunge aus dem Leib. »Feuer! Feuer!« Der Rauch reizte ihn zum Husten. Seine Stimme wurde schriller. »Feuer! Wir verbrennen!«
Endlich rochen sie auch draußen den Rauch. Zwei Beamte stürzten durch die Tür in den Zellentrakt.
Ich kämpfte immer noch mit den Flammen.
»Wer war das?« schrien die Polizisten.
»Er!« schrie der Taschendieb zurück. Ich hätte ihn am liebsten erwürgt. »Ich konnte ihn nicht davon abhalten«, behauptete der Schurke.
Ich besiegte endlich den Brand. Von der Matratze war nicht mehr viel übrig.
Die Polizisten schlossen die Tür auf. Sie stießen den Dieb, der hinausschlüpfen wollte, zurück und wiesen auf mich.
»Rauskommen!«
»Hören Sie, Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich das Feuer gelegt habe!« sagte ich entrüstet.
Einer der beiden Beamten wies auf das Feuerzeug, das neben den Resten der Matratze auf dem Boden lag.
»Wem gehört das?«
»Mir«, sagte ich wahrheitsgetreu.
»Aha.«
»Aber…«
»Nichts, aber! Herauskommen!«
Ich gab es auf. Langsam marschierte ich aus der Zelle. Man verpaßte mir Einzelhaft. Ich setzte mich entmutigt auf meine Pritsche und versuchte, mich nicht mehr aufzuregen. Ich sah ein, daß ich mich in das Unvermeidliche fügen mußte.
Nach einer Stunde erschien der Kommandant des Reviers bei mir. Er machte einen vernünftigen Eindruck auf mich und wollte hören, was ich vorzubringen hatte.
Ich sagte ihm, daß es mir reichen würde, wenn er mich mit Donna Varese telefonieren ließe, die im »Taj Mahal« wohne. Sie könne mir meine Brieftasche bringen, und ich wäre dann in der Lage, meinen Sonderausweis vorzuzeigen.
Und – o Wunder – ich erhielt die Erlaubnis zu telefonieren. Ich hatte schon fast nicht mehr darauf zu hoffen gewagt.
Mein Anruf erreichte das Hotel. Ich verlangte die italienische Korrespondentin. Sie war nicht in ihrem Zimmer. Man bat mich um Geduld. Man würde sie suchen lassen. Ich hoffte, daß sie überhaupt im Hotel war – und ich hatte endlich, nach dieser langen Pechsträhne, wieder Glück.
»Varese«, meldete sie sich. Eine Engelsstimme.
»Donna, hier spricht John.«
»Schon wieder zurück aus
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