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0107 - Die Geier und der Wertiger

0107 - Die Geier und der Wertiger

Titel: 0107 - Die Geier und der Wertiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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meines Ausweichmanövers die Friedhofsmauer. Es gab jedoch kein Aufprallgeräusch, das Fahrzeug wurde nicht gestoppt, die Mauer ging nicht kaputt, und auch der Jeep blieb heil. Er durchdrang die Friedhofsmauer wie ein in die Luft projiziertes Bild.
    Wir wurden nicht nach vorn gerissen, wie ich befürchtet hatte. Es wäre im Augenblick noch nicht nötig gewesen, daß ich mich so kraftvoll gegen das Lenkrad stemmte.
    Ich wollte mich gerade entspannen, da kippte der Jeep rechts vorne ab.
    Das gesamte Fahrzeug hatte die Friedhofsmauer durchdrungen.
    Aber danach befanden wir uns auf keinem Gottesacker.
    Und es war plötzlich auch nicht mehr Tag, sondern Nacht. Irgend jemand schien die Sonne wie eine Lampe ausgeknipst zu haben.
    War Malagu dazu fähig?
    Der Jeep rumpelte in eine Bodensenke. Obwohl ich mich abstützte, wurde ich nach vorn gerissen und landete mit dem Brustkorb auf dem Lenkrad.
    Ich hatte nicht mehr die Zeit, die Luft auszustoßen.
    Der Aufprall preßte sie in meinen Lungen zusammen, und ein stechender Schmerz hätte mich beinahe laut aufschreien lassen.
    Malagu flog in hohem Bogen aus dem offenen Fahrzeug. Ich beobachtete, wie er sich in der Luft mehrmals überschlug und war davon überzeugt, daß der Greis den Aufprall unmöglich überleben konnte.
    Ich war benommen, aber ich schonte mich nicht.
    Trotz der stechenden Schmerzen in meiner Brust sprang ich aus dem Jeep. Ich wollte Malagu zu Hilfe eilen.
    Vielleicht konnte ich noch etwas für ihn tun.
    Er lag auf dem Bauch.
    Ähnlich wie George McKammit nach dem Angriff der Skelettgeier, schoß es mir durch den Kopf.
    »Malagu!« rief ich.
    Als ich losrannte, drehte er sich um. Er mußte zäh wie Leder sein.
    Einen solchen Sturz hätte vermutlich so mancher Junger nicht überlebt.
    Er knurrte.
    Seltsamerweise klang seine Stimme plötzlich nicht mehr dünn und brüchig, und wie Malagu auf einmal auf die Beine sprang, zeugte von einer unbändigen Kraft.
    Ich blieb verdattert stehen.
    Der Mann brauchte meine Hilfe nicht.
    Es ging ihm gut. Zu gut!
    Abermals entrang sich seiner Kehle ein aggressives Knurren. Es hörte sich an, als würde es von einem Tiger ausgestoßen.
    Von einem Tiger!
    Mir fiel es wie Schuppen von den Augen.
    Und dann setzte auch schon die Metamorphose ein.
    Malagu wurde zum kraftstrotzenden Wertiger. Fauchend starrte mich die Bestie mit glühenden Augen an.
    Der Inder trug einen mächtigen Raubtierschädel auf seinen Schultern. Seine Hände waren Tigerpranken mit gefährlichen Krallen.
    Er war in der Lage, mich mit einem einzigen Biß oder einem einzigen Tatzenhieb zu töten.
    Und genau das hatte er vor.
    Geschmeidig kam er auf mich zu. Ich wich vor ihm zurück. Aus seinem Raubtierrachen flog mir ein stinkender Atem entgegen.
    Blitzweiß waren die langen scharfen Reißzähne des Monsters.
    Malagu duckte sich zum Sprung. Ich stieß gegen den Jeep, konnte nicht mehr weiter zurückweichen, blieb reglos stehen.
    Auge in Auge standen wir einander gegenüber.
    Die Bestie und ihr Opfer!
    Malagu stieß sich ab. Kraftvoll geschah es. Sein Angriff war von einem ohrenbetäubenden Gebrüll begleitet.
    Mit einem weiten Satz katapultierte er sich mir entgegen. Sein Maul war weit aufgerissen. In seinen Augen loderte die Gier nach meinem Leben.
    Er riß die rechte Pranke zum mörderischen Schlag hoch. Ich sackte im richtigen Augenblick nach unten und schnellte mich seitlich weg. Die Pranke traf nicht mich, sondern den Jeep.
    Die scharfen Tigerkrallen fuhren mit einem schrillen Kreischen über das Blech.
    Ich landete auf dem Boden.
    Meine Hand stieß ins Jackett.
    Malagu wirbelte wütend herum. Er hatte wohl gedacht, leichtes Spiel mit mir zu haben, hatte nicht damit gerechnet, daß ich ihm solche Schwierigkeiten machen würde.
    Und ich war im Begriff, diese Schwierigkeiten auszuweiten!
    Blitzschnell riß ich die Beretta aus der Schulterhalfter. Malagu ahnte nicht, daß meine Pistole mit geweihten Silberkugeln geladen war.
    Er griff mich an, obwohl ich meine Waffe auf ihn richtete. Ich drückte überhastet ab, rollte zwei-, dreimal über den Boden, feuerte noch einmal.
    Der Wertiger brüllte auf.
    Die erste Kugel hatte ihn verfehlt. Beim zweitenmal hatte es trotz der Eile für einen Streifschuß gereicht, und das geweihte Silber rief in Malagus Körper wahnsinnige Schmerzen hervor, die es ihm verleideten, mich ein weiteres Mal zu attackieren.
    Er verlor nicht nur die Lust, mich anzugreifen, er begriff auch, daß ich in der Lage war, mit einem präziseren Schuß

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