0108 - Das Eisgefängnis
konnte sie nicht unter ihm wegziehen. Bevor er noch seine eigene Bleispritze herumschwenken konnte, flog ich auf ihn.
Mein Faustschlag durchbrach seine Deckung, explodierte an seinem Kinn und schüttelte ihn durch.
Plötzlich wurden seine Augen glasig. Viel einstecken konnte er nicht. Bewußtlos blieb er liegen.
Das schwere Atmen in meinem Rücken warnte mich. Ich wollte herumfahren, doch es blieb beim Versuch.
Auf einmal hing mir der Killer im Nacken.
Ich wurde nach vorn gestoßen, hörte dicht an meinem Ohr seinen rasselnden Atem, und hornige Pranken tasteten nach meiner Kehle.
»Dich mach ich fertig!« keuchte er. »Dich krieg ich klein, du Hund!« Ich verstand nur die Hälfte, aber das reichte.
Er hatte meine Kehle gefunden und drückte zu.
Ich drehte mich, spielte plötzlich Karussell. Gleichzeitig riß ich meine Arme hoch bis zum Hals und suchte die Finger des Mannes.
Wenn ich es schaffte, sie auseinanderzubiegen, dann mußte er loslassen. Trotz seiner verletzten Hand war sein Griff fest, und ich hatte Mühe, ihn zu lockern. Erst als rote Kreise vor meinen Augen aufsprühten, ließ er los.
Doch ich packte sofort nach, bekam seinen Arm in den Griff, drehte mich und schleuderte ihn mit einem Judowurf über meine Schulter.
Hoch flog er durch die Luft, und ich bekam seinen Ballermann zu fassen. Der Killer wurde über den Rand des Bottichs geschleudert und krachte auf die dünne Eisdecke.
Sofort brach sie ein.
Der Mafioso stieß noch einen Schrei aus, dann schoß Wasser in seinen Mund, und er verstummte.
Zwei Schritte brachten mich an den Bottichrand. Ich wollte dem Mann heraushelfen und hatte auch schon meinen rechten Arm ausgestreckt, als ich wie elektrisiert zurückzuckte.
Das Wasser begann plötzlich zu brodeln. Es wurde undurchsichtig, im nächsten Augenblick erschienen zwei gespreizte Hände, die mit gefrorenem Wasser bedeckt waren.
Die Flüssigkeit war an ihnen herabgelaufen und hatte lange Zapfen gebildet, die wie skurrile Gebilde an allen zehn Fingern herabhingen.
Unwillkürlich wich ich zurück.
Dann tauchte ein Kopf auf.
Ebenfalls vom Eis bedeckt. Dunkle Haare, hinter dem durchsichtigen Eis eine bläulich schimmernde Haut.
Aus dem Bottich stieg ein Eismonster…
***
Die Kreuzung lag an der verkehrsreichsten Ecke von ganz Palermo.
Suko fühlte sich unwohl. Um ihn herum brauste der Verkehr, dröhnte, hupte und quietschte es.
Es war eine ewige Geräuschkulisse, nervtötend, grausam, und für die Gesundheit des Menschen gefährlich. Denn die Abgase lagen wie ein nie weichender Nebel über der Straße, und die Luft war kaum zu atmen.
Auch Suko hätte am liebsten den Atem angehalten, doch das war nicht möglich, so beobachtete er nur die Straße, auf der sich die Blechlawine voranschob, an der Ampel stoppte, weiterfuhr, bis zum nächsten Rot und noch mehr die Luft verpestete.
Suko behielt nicht nur die Fahrzeuge im Auge, sondern auch die beiden Polizisten, die nur wenige Meter von ihm entfernt standen, die Hände auf dem Rücken versteckt hielten und so taten, als würde sie der ganze Trubel nicht kümmern.
Der Eindruck täuschte.
Diese Männer hielten sehr wohl den Verkehr im Auge, und sie warteten auf einen ganz bestimmten Wagen, der immer um diese Zeit vorbeikommen mußte.
Er kam auch jetzt.
Mit nur zwei Minuten Verspätung, wie Suko feststellte.
Plötzlich änderte sich die lässige Haltung der Carabinieri. Während einer stehenblieb, ging der andere dem Wagen ein Stück entgegen.
Noch zeigte die Ampel Grün. Der Fahrer wollte schon Gas geben, als der Polizist winkte.
Bremsen.
Die Ladung schaukelte. Zahlreiche Kisten waren aufeinandergestapelt und mit Seilen festgezurrt. Sie hatten Gemüse und Obst geladen.
Der Fahrer streckte seinen Kopf aus dem Fenster und erkundigte sich, was los sei.
Suko passierte den Mann und auch den Polizisten. Wenige Schritte nur brachten ihn an das Heck des Gemüsewagens. Während der Carabinieri mit dem Mann diskutierte, suchte sich Suko blitzschnell einen Platz.
Zum Glück gab es eine Art Mittelgang. Der Chinese mußte sich zwar schmal machen, aber das machte ihm nichts aus. Besser schlecht gefahren, als gut gelaufen.
Zwei Kinder beobachteten, wie Suko auf die Ladefläche kletterte und sich zwischen die Kisten schob. Mit dem Kopf zuerst tauchte er in den Gang und blieb erst einmal liegen.
Der Fahrer und der Polizist sprachen noch immer. Sie lamentierten miteinander, und erst als der zweite Carabiniere sich überzeugt hatte, daß Suko auch
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