0108 - Das Eisgefängnis
plötzlich drehte sich alles vor meinen Augen. Ich sollte eingefroren werden.
Ein Schicksal, wie es sich nur ein völlig gefühlskalter Mensch ausdenken konnte.
Oder ein Teufel.
Dr. Tod war beides. Obwohl ein Mensch, kannte er jedoch keinerlei Regungen oder Gefühle. Die einzigen, die ihn vorantrieben, waren Haß und Zerstörung. Darin unterschied er sich in keiner Weise von einem reinen Schwarzblütler.
Ich rechnete damit, daß er auf Asmodinas Seite stand. Wenn ja, dann hatte sie in ihm wirklich einen treuen Diener gefunden.
Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch. Es entstand, als eine Tür geöffnet wurde.
Langsam drehte ich mich um.
Noch in der Drehung hörte ich die Stimme.
»Willkommen, John Sinclair!«
Vor mir stand Dr. Tod!
***
Eine Schrecksekunde hatte ich nicht, denn ich rechnete mit seinem Besuch. Er war nicht allein gekommen. Zwei Männer begleiteten ihn. Beide mit Revolvern und Pistolen bewaffnet. Sie hatten an der Tür Aufstellung genommen, während Dr. Tod, alias Solo Morasso, ein paar Schritte vorgegangen war.
Nein, er sah nicht mehr aus wie früher, sondern wie der mächtige Mafioso.
Eisgraue Haare, darunter eine breite Stirn, die die obere Grenze eines kantigen Gesichts bildete. Die schwarzen Augen fielen ebenso auf, wie die buschigen Brauen und die grausamen, dünnen Lippen.
Das war Solo Morasso, und das war auch Dr. Tod!
Fünf Schritte trennten uns. Dazwischen stand ein runder Kessel aus Stahl. Er war gefüllt mit bläulich schimmerndem Wasser, auf dessen Oberfläche eine dünne Eiskruste schwamm.
Wir fixierten uns.
Ich war etwas größer als er. Deshalb mußte Solo Morasso zu mir hinaufsehen. Aber das machte ihm nichts, denn schließlich befand ich mich in seiner Gewalt.
»Du bist früher gekommen, als ich erwartet habe«, sprach er mich an. »Aber es freut mich.«
»Mich nicht«, erwiderte ich.
Er lachte rauh. »Das kann ich verstehen.«
Ich hatte einige Fragen. Und die stellte ich auch, denn meine Neugierde war schon immer stark gewesen. Manchmal sogar stärker als die Angst vor dem Tod.
»Wer hat dich befreit?« wollte ich wissen.
»Kannst du es dir nicht denken?«
»Asmodina?«
»Ja. Sie und der Spuk haben einen Pakt geschlossen. Der Spuk gab meinen Geist frei, und er gelangte in den Körper des toten Solo Morasso. Alles weitere kennst du ja.«
»Was hast du vor?«
Da blitzte es in seinen Augen auf. »Zuerst werde ich dich vernichten, John Sinclair. Dann sehe ich weiter, denn ich habe eine mächtige Verbündete. Ich werde und ich will die Welt beherrschen, dafür wird mir Asmodina jede Chance geben, denn ich handle in ihrem Sinne.«
Ich schüttelte den Kopf und grinste.
»Freust du dich auf deinen Tod?« höhnte er.
»Nein, denn dazu wird es nicht kommen«, erwiderte ich leichthin.
»Nenn mir den Grund!«
»Ich bin nicht ohne Rückendeckung hier.«
Jetzt lachte er. »Hoffst du auf deinen Chinesen?«
»Unter anderem.«
»Vergiß ihn, Sinclair. Diesen Burschen machen wir ebenso fertig wie dich.«
»Da wäre auch noch die Polizei!«
Dr. Tod schüttelte den Kopf. »Was sind schon die Bullen? Die stecken wir hier alle in die Tasche. Wir haben die Macht in Palermo, nicht die Polizisten. Wir sind nicht in London oder in Paris, sondern auf Sizilien. Merke dir das!«
Das hatte ich schon gemerkt. Diese verdammte Mafia hatte ihre Finger überall. Und das machte mich rasend. Bisher hatte ich mit dieser Organisation kaum etwas zu tun gehabt, nun wurde ich direkt auf eine brutale Art und Weise damit konfrontiert.
Tief atmete ich durch. Die kalte Luft stach in meine Lungen.
Schon jetzt fror ich, und ich bekam einen kleinen Vorgeschmack von dem, was noch auf mich zukam.
Aber Dr. Tod kostete seinen Erfolg aus. Er fragte: »Erinnerst du dich noch, John Sinclair? Vor einigen Jahren, als die große Filmparty gefeiert wurde? Nadine Berger, der Turm, unser Kampf.«
»Ich habe nichts vergessen!« schleuderte er mir entgegen. »Aber auch gar nichts. Und ich werde mich rächen und dich dafür hart bestrafen.«
»Auch ich habe nichts vergessen, Dr. Tod!«
»Aber nun bin ich an der Reihe!« zischte er.
»Warten wir es ab.«
»Glaubst du immer noch, du würdest dem Eiskeller entkommen?« höhnte er. »Bist du wirklich so naiv?«
Ich schwieg.
Er aber fuhr fort. Er geiferte mich an. »Hast du in die Kammern geschaut und die Menschen gesehen? So mache ich sie zu meinen Dienern. Ich werde mir meine Leute buchstäblich auf Eis legen, und wenn ich sie brauche, werden sie
Weitere Kostenlose Bücher