0108 - Das Eisgefängnis
begriffen, in welch einer Gefahr er schwebte, denn das Monster sah nicht nur mich als seinen Feind an, sondern auch ihn.
Der Mafioso lag zwischen mir und dem Monster.
Das Geschöpf hob das rechte Bein. Mir war klar, was es vorhatte.
Es wollte den Mann tot treten.
Mafioso hin, Mafioso her. In erster Linie war dieser Mann ein Mensch. Und ich konnte nicht zusehen, daß man ihn töten wollte.
Zwei Schritte lief ich vor – dann stieß ich mich ab.
In den ausgestreckten Armen hielt ich die Waffe, und so flog ich auch auf das Monster zu. Noch bevor es zutreten konnte, krachten wir zusammen.
Dieser Aufprallwucht hatte selbst das höllische Eisgeschöpf nichts entgegenzusetzen. Es wurde zurückgeschleudert, während ich den Aufprall bis in den letzten Knochen spürte.
Das Monster krachte gegen den Bottichrand. Er war nicht sehr hoch, und als Stütze konnte man ihn auch nicht bezeichnen. Blitzschnell erkannte ich die Chance.
Meinen Handballen rammte ich unter das Kinn des Monsters.
Den physikalischen Gesetzen folgend, bekam es Übergewicht und kippte nach hinten.
Direkt in den Bottich mit Eiswasser.
Gurgelnd verschwand das Untier.
Ich hatte ein paar Sekunden Luft.
Die Zeit nutzte ich und zog mein Kreuz hervor.
Da schnellten schon die Arme des Eismonsters aus dem Wasser.
Die gewaltigen Hände packten meine Kehle. Ich wollte zurückspringen, schaffte es aber nicht, da ich in einer Pfütze ausrutschte, und dann hatte mich das verdammte Biest gepackt.
Ich spürte die eiskalten Pranken an meinem Hals und rang verzweifelt nach Luft.
Das Monster gab kein Pardon. Es stieg weiter aus dem Wasser, drückte stärker zu, doch mir gelang es, das Kreuz zu packen und es in das Gesicht der grausamen Bestie zu drücken.
Etwas zischte auf, als hielte man glühendes Eisen in Wasser.
Innerhalb von Sekunden wurde ein Loch in den Eispanzer des Gesichts gebrannt. Und die Wärme setzte sich fort. Sie schmolz das Eis kurzerhand weg.
Die harten Stücke zerliefen, das Monster gurgelte auf, es mußte Schmerzen haben, die kalten Pranken lösten sich von meinem Hals, und das Geschöpf fiel zurück in den Bottich.
Wasser spritzte fontänenartig hoch, als es unter der Oberfläche verschwand.
Ich trat zurück und massierte mir den Hals. Himmel, das tat gut, endlich wieder atmen zu können.
Im Bottich spielten sich unheimliche Vorgänge ab.
Das Wasser schien plötzlich zu kochen. Es warf dicke Blasen, brodelte und zischte auf.
Eine Klauenhand erschien, der Teil eines Körpers, dann der Kopf.
Das Eis schmolz, die Kraft des Kreuzes hatte es zerstört. Handgroße Stücke schwammen auf der Oberfläche, und der Auftrieb spülte das Monster an die Oberfläche.
Es war jetzt völlig vom Eis befreit.
Vor mir schwamm ein Toter.
Ich schaute in ein aufgedunsenes Gesicht, die Haut hatte einen bläulichen Schimmer, starr und glanzlos blickten die Augen. Jetzt enthielt dieser Bottich schon zwei Leichen, denn daß der Mafioso noch lebte, daran glaubte ich nicht.
Ich drehte mich um.
Der zweite Gangster stand hinter mir. Er hätte mich angreifen können, doch er tat es nicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in den Bottich.
Ich sprach ihn an.
Er reagierte nicht.
»He!« rief ich.
Da zuckte er zusammen, blickte mir ins Gesicht, bewegte die Lippen, doch kein Laut drang aus seinem Mund. Dieser Mann stand zu sehr unter einem Schock.
»Wie heißen Sie?«
»Gio!« lautete die Antwort.
Einige Brocken Italienisch konnte ich zum Glück. »Wo ist Dr. Tod?« fragte ich.
Er schaute mich verständnislos an. Da fiel mir ein, daß er den Namen gar nicht kennen konnte. Deshalb fragte ich ihn nach Solo Morasso.
Er deutete auf die Tür, durch die Dr. Tod verschwunden war.
»Kann man sie öffnen?« erkundigte ich mich.
»Nur er!«
Das hatte ich mir gedacht. So leicht war also an diesen Verbrecher nicht heranzukommen.
Was also tun?
Die eingefrorenen Personen fielen mir ein. Sie vegetierten in ihren Zellen dahin. Dr. Tod hatte davon gesprochen, daß sie noch lebten, deshalb mußte ich sie befreien.
Doch zuvor wollte ich Klarheit darüber haben, auf welcher Seite der Gangster stand.
»Ich habe dir das Leben gerettet«, sprach ich ihn an. »Und ich will nicht, daß du mir in den Rücken fällst. Wo stehst du?«
»Ich bin nicht gegen dich.«
Die Antwort kam schnell, zu schnell fast. Ich schaute ihm in die Augen, er senkte den Blick.
Ganz stand er also nicht auf meiner Seite, das war mir klar. Ausschalten wollte ich ihn jedoch nicht. Er kannte
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