0109 - Broadway-Krieg
unsere Posten inspiziert. Phil war heute bei O’Neil geblieben. Wir wollten Vorbeugen, falls sie es ein zweites Mal versuchen sollten.
Seit zehn Minuten wusste ich, dass ich verfolgt wurde. Die Lichter eines Wagens hielten sich hartnäckig hinter meinem Jaguar. Ich fuhr deswegen nicht schneller, und ich versuchte nicht, den oder die Verfolger abzuschütteln. Ich wartete darauf, dass er Gas geben, mich überholen würde, um es mir während des Überholens zu geben. Nichts dergleichen geschah. Er gondelte hinter mir her wie ein Boy hinter einem Mädchen, das er nicht anzusprechen wagt.
Schließlich wurde es mir zu dumm. Ich fuhr an den Straßenrand und stoppte. Ein Blick in den Rückspiegel genügte, um mir zu zeigen, dass der andere Wagen, ein hellblauer Mercury, ungefähr hundert Yards hinter mir zum Stehen kam. Seine Lichter erloschen. Minuten vergingen. Niemand stieg aus. Das Licht einer Straßenlaterne spiegelte sich in der Windschutzscheibe des Mercurys. Ich konnte nicht erkennen, wie viele Männer in dem Wagen saßen.
Allmählich erwuchs in mir das unangenehme Gefühl, mich einfach geirrt zu haben. Vielleicht saß in der Mühle dort hinten nichts anderes als ein Pärchen.
Ich hatte auf einem Stück des Broadways gehalten, das nicht mehr zum eigentlichen Vergnügungszentrum zählt. Hin und wieder glitt ein Auto über die Straße, aber sonst war die Gegend menschenleer. Ich beschloss, die Sache zu beenden. Natürlich wäre es am einfachsten gewesen, dem Jaguar die Sporen zu geben. Der Mercury hätte meinen Wagen niemals eingeholt. Aber dazu war ich zu neugierig.
Ich legte die Hand auf die Türklinke. Bevor ich den Schlag öffnen konnte, kam ein Wagen den Broadway hinauf in ziemlichem Tempo, bremste scharf und hielt auf der anderen Straßenseite. Auch seine Scheinwerfer erloschen.
Ich blickte hinüber. An der Veränderung der Lichtreflexe sah ich, dass die Seitenfenster heruntergedreht wurden.
Ich gestehe, dass ich einen Augenblick schwankte, ob ich nun doch nicht einfach abschwirren sollte, aber das hätte wenig dem Geist entsprochen, der von einem G-man erwartet wird. Ich rutschte rüber auf den Beifahrersitz, öffnete die Tür und stieg vorsichtig aus. Die Smith & Wesson hielt ich in der linken Hand. Ich schloss die Tür nicht, sondern hielt sie mit dem Fuß offen, um nötigenfalls dahinter in Deckung gehen zu können.
Gegen den Wagen auf der anderen Straßenseite deckte mich der Jaguar ausreichend ab. Falls der Mann im Mercury bösartige Pläne hegte, musste ich mich auf die Schnelligkeit meiner Reaktion verlassen.
Zwei Minuten vergingen, ohne dass sich etwas ereignete. Die Nacht war so still, dass ich das Gefühl hatte, die Stadt hielt den Atem an.
Am Mercury öffnete sich die Tür zur Straßenseite hin. Sie blieb offen, aber hinter ihr reckte sich die Gestalt eines Mannes hoch.
»Komm heraus, G-man!«, rief er halblaut mit rauer Stimme. Ich tat drei Schritte bis zum Heck des Jaguars. So befand ich mich immer noch in leidlicher Deckung.
»Was willst du?«, rief ich zurück.
»Dir die Quittung für Ads Tod geben, du…« Er schloss mit einem Schimpfwort.
Ich begriff, dass ich es mit dem Chicagoer Kumpan des erschossenen Ad Former zu tun hatte.
»Du bis Noel Gant, he! Okay, Noel, es ist gut, dass wir uns treffen. Wirf dein Schießeisen weg, nimm die Hände hoch und komm her. Ich habe dich ’ne Menge zu fragen.«
Er antwortete mit einem Hohngelächter.
»Komm raus, du Held!«, grölte er.
»Vielen Dank, Noel«, antwortete ich ruhig. »Wenn du allein wärst, würde ich es vielleicht tun, aber ich habe keine Lust, mich von deinen Leuten auf der anderen Straßenseite abschießen zu lassen. Lieber warte ich, bis du genug Lärm gemacht hast, um irgendjemanden aufzuwecken, der die Cops alarmiert.«
»Ich bin allein«, bellte er. »Die anderen wollten nicht, dass ich es dir besorge. Ich bin auf eigene Faust losgezogen.«
Blitzartig fiel mir Kendys Geschichte von jenem Aldo MacLean ein, der gegen den Willen der Hollyway-Bande ausgezogen war, um seinen Bruder zu rächen. Wir schienen hier die Neuauflage eines Theaterstückes zu spielen, das vor dreißig Jahren schon mal inszeniert worden war.
»Noel«, rief ich hastig. »Steig in deinen Wagen und lege dich flach auf den Boden, wenn du davon kommen willst. Ich wette hundert zu eins, dass in dem Auto auf der anderen Seite deine ehemaligen Freunde sitzen, und ich weiß nicht, ob sie es auf dich oder auf mich abgesehen haben. Wahrscheinlich auf uns
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