0109 - Verlies der Angst
pensionierte Rektor nickte. »Das habe ich mittlerweile auch gemerkt.«
Wir standen auf. Kommissar Mallmann reichte Matthias Maurer die Hand und bedankte sich für die Gastfreundschaft.
»Gern geschehen, Kommissar. Sie halten mich aber auf dem laufenden, Herr Mallmann?«
»Natürlich.« Will nickte.
Draußen schien uns die Sonne ins Gesicht. Wir gingen die Treppe wieder hinunter.
Ich konnte den ehemaligen Rektor gut verstehen. Er war ein Heimatforscher, hatte sich zwar mit der Vergangenheit fremder Völker beschäftigt und dabei auch die Totenkulte und Rituale anderer Rassen gestreift, aber daß Dämonen existierten und Flüche in Erfüllung gehen würden, daß war ihm doch ein wenig suspekt.
Wir trafen immer wieder auf Menschen, die unsere Arbeit mit Staunen oder Skepsis betrachteten, und einen Vorwurf konnte ich ihnen nicht machen.
Auf der Straße blieben wir stehen und berieten.
Der Kommissar war dafür, sofort loszufahren. »Den Weg kenne ich ja«, meinte er.
Ich nickte. »Okay, dann holen wir aber zuvor noch unsere Waffen aus dem Koffer.«
Wir hatten die Gepäckstücke umgeladen. Sie lagen jetzt im Kofferraum. Schneller als auf dem Hinweg gingen wir wieder zurück.
Niemand hatte den Manta gestohlen, obwohl die Heckscheibe fehlte.
Will öffnete den Kofferraum.
Im Schutz der hohen Klappe bewaffneten wir uns. Ich nahm die Beretta und den Dolch. Suko bewaffnete sich mit der Dämonenpeitsche und einer Pistole. Kommissar Mallmann bekam eine Ersatzwaffe. Dann gab ich ihm noch die Gemme.
Mein Blick fiel auf den silbernen Bumerang, der ebenfalls im Koffer lag.
Diese Waffe hatte mir in der Welt des Schwarzen Tods das Leben gerettet. Sie war aus den letzten Seiten des Buchs der grausamen Träume entstanden und gehörte mir als Erbe, als Sohn des Lichts, wie man mir gesagt hatte.
Sollte ich sie nehmen?
Nein, ich ließ sie zurück. Ich glaubte fest daran, daß Beretta und Dolch reichten.
Will schlug die Klappe zu.
»Alles klar?« fragte er.
Wir nickten.
»Soll ich mitkommen?« Wachtmeister Hansen hatte sich gemeldet.
Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Nein, halten Sie hier die Stellung. Es ist möglich, daß noch Kumpane der Waffenholer auftauchen, da ist es besser, wenn jemand von uns in dem Ort ist.«
Der Wachtmeister war zwar nicht gerade glücklich über diesen Entschluß, fügte sich aber. Schließlich war er es gewohnt, Befehle auszuführen.
Wir aber setzten uns in den Wagen. Hätten wir geahnt, was sich inzwischen in dem Waldstück abspielte, wären wir wie die Teufel gefahren. Aber in die Zukunft sehen konnte niemand von uns…
***
Rolf Hartmann befand sich in einer Zwickmühle.
Sollte er die Kinder nach Hause schicken, schließlich war die normale Zeit schon überschritten, oder sollte er die Lehrerin suchen lassen?
Er entschied sich für die letzte Möglichkeit.
Der Lehrer versammelte seine Schüler um sich und sprach ein paar Worte mit ihnen.
»Ihr teilt euch in Gruppen auf und kämmt den Wald durch. Bleibt immer zusammen und ruft auch den Namen von Fräulein Haupt. Wenn sie euch hört, wird sie sich melden.«
»Vielleicht ist sie tot«, meinte ein kleines Mädchen.
»Unsinn!« erwiderte Hartmann schärfer als gewollt. »Sie hat sich bestimmt nur verlaufen.«
An den skeptischen Blicken der Kinder erkannte er, daß seine Worte auf keinen fruchtbaren Boden gefallen waren. Deshalb sagte er schnell: »Los jetzt, Freunde, sucht!«
Die Kinder gingen.
Schon bald waren sie zwischen den Bäumen verschwunden, und Rolf Hartmann hörte sie den Namen der Lehrerin rufen. Ihre hellen Stimmen schallten durch den Wald.
Wenn die Frau nicht taub war, dann mußte sie die Kinder hören.
Reagierte sie allerdings nicht, war ihr vielleicht etwas zugestoßen.
Sie war schließlich nicht mehr die Jüngste. Und wer kannte sie schon näher? Wie stand es um ihre Gesundheit? Darüber wußte der junge Lehrer nichts. Er nahm sich aber vor, mal mit Fräulein Haupt zu sprechen und sich um ihre Sorgen zu kümmern.
Rolf Hartmann blieb auf der Lichtung. Die Kinder waren im Wald verschwunden, und er kam sich plötzlich unsagbar einsam und verlassen vor.
Normalerweise machte ihm das nichts aus, doch wenn er sich die Hügelgräber anschaute, so hatte er das unbestimmte Gefühl, daß von ihnen eine stumme Drohung ausging.
Auch Rolf Hartmann kannte sich in der Geschichte ein wenig aus. Er wußte von den Kämpfen zwischen Wikingern und Germanen, und er wußte, daß die Wikinger von den Germanen niedergemacht
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