011 - Das Transmitterinferno
aus der Physik. Aber ich erinnere mich an meinen Mathematikprofessor, der uns das Phänomen der vierten Dimension zu erklären versuchte, die mathematisch durchaus von fundamentaler Bedeutung ist.
Nicht nur mathematisch, wie ich jetzt definitiv weiß: Ich bin, aber genau das ist absurd, denn wo nichts ist, kann man nicht sein. Ein Paradoxon, ein unlösbarer Widerspruch. Oder sind alle Theorien von vornherein falsch?
KEN RANDALL!
Was ist das? Ach ja, der Name. Jetzt, wo er mir gleichgültig geworden ist, hat er sich heran getraut, nicht mehr scheu wie vor Bange vor meinem allzu gierigen Zugriff. Er ist da, um meine Gedanken zu berühren.
Die Erkenntnis: Ja, ich bin Ken Randall, ein Mensch! Ich war bisher jedenfalls ein Mensch gewesen, aber … was bin ich jetzt?
Das Fremdartige.
Beinahe zumindest bin ich so wie dieses.
Es bedrängt mich, aber ich setze mich zur Wehr. Nur teilweise mit Erfolg. Was soll ich tun gegen diese Allmacht? So habe ich mir Götter immer vorgestellt – als der Mensch mit Namen Ken Randall. Aber jetzt bin ich fast so wie sie: Nur fast.
Sie sind in mir, mit mir. Wie viele sind es? Als würde ihre Zahl eine Bedeutung haben im Quasinichts …
Ich darf nicht mehr an sie denken. Das ist der beste Schutz.
Meine eigenen Gedanken, eng begrenzt, wenn man das so sagen kann im immateriellen Nichts ohne Raum und ohne Zeit … Sie klammern sich an dem Namen fest wie an einem Rettungsanker, an dem Symbol meines bisherigen unbedeutenden Menschseins als Winzling in der Unendlichkeit des Universums.
Ja, ich war als Mensch ein Winzling, ohne Bedeutung für das Ganze, doch was bin ich jetzt? Als Bestandteil des immateriellen Nichts noch weniger? Ja, das Nichts ist immer weniger als ein Etwas. Das Nichts ist weniger als das winzigste Staubkorn jemals sein kann, weniger als sogar das kleinste Teilchen.
Ken Randall! Ich klammere mich daran so fest ich kann. Ken Randall!
Moment, war das mein eigener Gedanke?
Ich bin dafür bestimmt, nicht nur das Schicksal der Menschheit mit zu beeinflussen, sondern auch das Schicksal anderer Völker. Ich spüre die Macht, die unbeschreibliche Macht. Sie ist nicht mein Feind. Sie ist mit mir. Wir sind ohne Körper, sondern nur noch Wille. Wir finden keinen Weg zurück, außer diesem einen, die Materialisation eines perfekten Ebenbildes, erzeugt durch unsere Gedanken …
Was sind das für Gedanken? Meine? Unsere? Wahnsinn droht, mich zu überrennen, doch ich wehre mich erfolgreich dagegen. Seltsam: Als würde mir jemand helfen.
Jemand? Im absoluten Nichts?
Aber ich bin doch auch!
Ich bin, ja, egal, was alle Theorien behaupten mögen. Ich existiere dort, wo es keine Existenz geben kann, weil es das immaterielle Nichts ist, nur mathematisch beschreibbar als vierte Dimension. Professor Holmes würde es allerdings weder vierte Dimension noch Hyperraum nennen, sondern Äthermorph. Ein rein theoretischer Zustand …
Und wieso denke ich dann? Dort, wo Gedanken sind, kann nicht das absolute Nichts sein.
»Doch!«
Eine Antwort auf meine unausgesprochenen Frage. Nur ein glasklar umrissener Gedanke, mehr nicht, aber auch nicht weniger. Jedenfalls kein gesprochenes Wort, wo es keinen Mund geben kann und keine Töne. Ein … fremder Gedanke, also keiner, den mein eigener Geist produziert und auch keiner, der sich mit meinen eigenen Gedanken vermischt und mich erneut in den Wahnsinn zu treiben droht.
Aus dem Nichts schält sich ein Bildnis. Wie in einem Traum. Erst schemenhaft. Das Bildnis ist rein virtuell – was sonst? – und zeigt einen … Mann. Ich denke wieder den Namen: Ken Randall! Und ich weiß: Das bin ich selber. Nicht, als würde ich in einen Spiegel sehen, sondern als würde ich mich selber in einem Film wieder erkennen.
Wir betrachten uns beide. Erst war ich allein, ein Paradoxon im eigentlichen Nichtsein. Und jetzt gleich … doppelt?
Materialisation eines perfekten Ebenbildes, erzeugt durch unsere Gedanken … Schon wieder dieser Satz, nicht klar umgrenzt genug, um ihn einem anderen zuzuordnen und doch nicht von mir selber erzeugt.
Auch von ihm nicht, meinem Ebenbild!
Ich würde es wissen, denn meine Gedanken sind synchron mit den Gedanken des anderen und er wundert sich synchron mit mir.
»Doch!«, hören wir die Wiederholung von vorhin, die eigentlich jetzt keinen Sinn mehr macht, außer dem einen: Uns zu zeigen, dass wir nicht allein sind und uns begreifen zu lassen, dass keiner von uns beiden diesen Gedanken produziert hat.
Wer sonst?
Schatten
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