011 - Die Mühle des Unheils
Vielleicht würde sich sich damit begnügen, ihn gleich hier in seinem Haus umzubringen. Daß sie dazu imstande war, hatte sie soeben bewiesen. Konfus drehte sich Seymour Luckett um die eigene Achse. Das Grauen stand vor seinem Haus.
Es würde sich Einlaß verschaffen, und dann…
Luckett wußte nichts anderes zu tun, als wieder von der Flasche zu trinken. Vielleicht half ihm der Alkohol wenigstens, den Tod leichter zu ertragen, denn das Leben hatte er bereits so gut wie verloren.
Die Salontür stand offen.
Der Makler konnte die Eingangstür sehen – und natürlich auch die Klinke, die sich in diesem Augenblick nach unten bewegte. Eine Sinnestäuschung? Nein, das passierte wirklich. Vor der Tür stand bestimmt Nancy Rubin. Sie wollte herein. Es war abgeschlossen…
Hatte er tatsächlich den Schlüssel herumgedreht? Er konnte sich nicht mehr erinnern.
Die Tür schwang langsam auf.
Seymour Luckett sah Nancy. Totenblaß stand sie im Rahmen. Ein grausamer Zug umspielte ihre Lippen. Mit toten Augen schaute sie den Makler an, den fortwährend eiskalte Schauer überliefen.
»Guten Abend, Seymour«, sagte sie leise, fast flüsternd, aber er hörte sie überdeutlich. »Ich bin gekommen, um dich zu holen!«
***
Earl Wadsworth hatte einen Auftrag. Yora, die Totenpriesterin, hatte ihn ihm erteilt. Er dachte nicht darüber nach, ob das, was er vorhatte, gut oder schlecht war. Yora hatte sein Gewissen ausgeschaltet. Er stand unter ihrem bösen Kommando, hatte keinen eigenen Willen mehr, war nur noch ein ausführendes Organ.
Er wandte sich vom Fenster ab. In seinem Kopf war Yoras Stimme: »Sei vorsichtig!« warnte sie ihn.
»Ja, Herrin«, gab er zurück, ohne die Lippen zu bewegen. Das Gespräch spielte sich auf telepathischer Basis ab.
»Laß dir nichts anmerken«, sagte Yora, die Totenpriesterin.
»Sprich nicht. Sie beachten dich nicht. Die Gelegenheit ist günstig. Du wirst zuschlagen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie werden aus allen Wolken fallen. Es wird nicht schwierig für dich sein, meinen Befehl auszuführen.«
»Gewiß nicht, Herrin«, erwiderte Wadsworth.
»Geh jetzt!« befahl ihm Yora.
Er verließ den Salon. Mr. Silver blickte ihm zwar kurz nach, dachte sich aber nichts dabei. Gena sprach den Hünen mit den Silberhaaren an, und der Ex-Dämon war sofort wieder abgelenkt.
Earl Wadsworth begab sich in die Küche. Er öffnete eine der Schubladen und nahm ein Messer mit Sägeschliff heraus. Die Klinge war lang und lief spitz zu. Der Antiquitätenhändler verbarg das Messer hinter seinem Rücken, als er den Salon wieder betrat.
Jetzt streifte ihn Gena mit einem knappen Blick. Sie wurde nicht mißtrauisch, wandte sich an Vicky Bonney, der sich Wadsworth langsam näherte. Gebannt starrte er auf die blonde Löwenmähne der Schriftstellerin. Er erreichte sie – und handelte…
***
Mein Blick fiel zufällig auf Earl Wadsworth, und ich erschrak. Er sah aus wie ein grausamer Fanatiker, der etwas Schreckliches vorhatte. Die Art, wie er meine Freundin anstarrte, ließ mein Blut in den Adern gerinnen. Mein Herz übersprang einen Schlag. Ich begriff, was der Antiquitätenhändler vorhatte und wollte es verhindern, doch meine Reaktion kam zu spät, denn in diesem Moment stürzte sich Wadsworth mit einem wilden Schrei auf Vicky Bonney.
Ein langes Messer blitzte in seiner Rechten.
Ich glaubte, ich würde vor Angst um Vicky den Verstand verlieren.
Wadsworth mußte ihn schon verloren haben.
Mr. Silver und ich schnellten synchron hoch. Der Ex-Dämon riß seine Colt Diamondback aus dem Gürtel, während Earl Wadsworth über Vicky Bonney herfiel. Gena zuckte aufkreischend zurück.
Wadsworth packte meine Freundin, riß sie hoch und setzte ihr das Sägemesser waagrecht an die Kehle. Er stand hinter ihr. Wenn Mr. Silver geschossen hätte, hätte er Vicky getroffen.
Eine geweihte Silberkugel war hier überhaupt keine Lösung, deshalb zischte ich: »Steck die Waffe weg, Silver!«
Vicky starrte mich entsetzt an. In ihren großen veilchenblauen Augen hingen Angst und Verzweiflung.
»Sehr richtig, Silver!« höhnte Earl Wadsworth. »Steck weg, sonst ist das Mädchen eine Leiche!«
»Daddy, um Himmels willen…«, stieß Gena verdattert hervor.
Sie schaute mich an. »Mein Gott, was ist mit meinem Vater, Mr. Ballard?«
»Er steht unter dämonischem Einfluß«, sagte ich.
»Schlaues Kerlchen«, spottete der Antiquitätenhändler.
»Kann man dagegen denn gar nichts tun?« fragte Gena jammernd.
»Im Moment nicht«,
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